Nachdem ich schon beschrieb, wie die erste große Krise im DC-Universum (DCU) über die Bühne ging und was das für Auswirkungen hatte, komme ich nun zur (kürzlich verstrichenen) Gegenwart. Wie bereits angekündigt stand das DCU erneut ganz im Zeichen einer Krise und ich möchte im Rahmen meiner selbst auferlegten Bildungsoffensive davon erzählen.
Angefangen hat die jüngste Krise mit dem Arbeitstitel Infinite Crisis mit einer kleinen Miniserie, die den Grundstein zu den beeindruckenden Ereignissen der großen Krise legte. Diese Miniserie wurde Identity Crisis genannt.
Identity Crisis
In der Identity Crisis geht es darum, dass die Frau eines B-Helden namens Elastoman auf mysteriöse Weise ums Leben kommt. Es gibt keine Anzeichen für einen Einbruch und doch wurde die Leiche in der Wohnung verbrannt. Alle Superhelden sind in heller Aufregung, da man natürlich nun befürchten muss, dass auch andere Angehörige von Superhelden ins Visier des geheimnisvollen Mörders geraten könnten. Kennt jemand die geheimen Identitäten der Helden?
Eine kleine Heldengruppe spaltet sich während der Suche nach dem Mörder ab und hat einen ganz bestimmten Schurken in Verdacht: Dr. Light. Dieser auch eher mittelmäßige Bösewicht hatte vor langer Zeit die Geheimidentität des Elastomans herausgefunden und dessen Frau vergewaltigt. Das nahm „damals“ (müsste irgendwann in den 80ern gewesen sein) die kleine Heldengruppe zum Anlass, bei Dr. Light auf magische Weise eine Lobotomie durchzuführen. Danach war Dr. Light nicht nur des Wissens um die Geheimidentität beraut, sondern auch noch harmloser und lächerlicher.
Das ist der erste große Kracher: Superhelden, die das Gehirn eines Schurkens verändern und ihn nicht nur einfach ins Gefängnis stecken. Wo waren da unsere großen Helden – Superman, Batman und Wonder Woman? Nicht anwesend. Noch schlimmer: Batman kam zufällig dazu, als die Lobotomie durchgeführt wurde und wollte diesen Vorgang unterbinden. Das mündete darin, dass die Helden auch sein Gehirn beeinflussten. Sie löschten ihm zehn Minuten seiner Erinnerungen.
Damit nahm die Tragödie ihren Lauf: Die Superhelden misstrauten sich nicht nur untereinander, die Superschurken bekamen auch davon Wind und schlossen sich insgeheim zu einer großen Schurken-Gemeinschaft zusammen, um gegen die Helden vorzugehen – mit harten Bandagen!
Während sich alle Schurken unter der Leitung von Lex Luthor zusammenfanden – wer nicht mitmachen wollte, wurde eliminiert – wurde noch eine ganz andere Gruppe gebildet: The Secret Six. Dabei handelt es sich um sechs Schurken, die bisher entweder unbekannt oder in der B-Riege waren. Diese Sechs wurden von dem unbekannten Mockingbird geführt und sollten eine Gegenbewegung zu der großen Schurkenansammlung des Lex Luthor darstellen. Sehr lesenswerte Miniserie mit sechs Ausgaben.
Weitere Vorarbeiten zur Krise
Um zur eigentlichen, siebenteiligen Miniserie Infinite Crisis zu gelangen, wurde viel Vorarbeit geleistet. Zudem fanden diverse Handlungsstränge in Sonderbänden oder laufenden Serien statt.
Eine wichtige Geschichte ist die vom Blue Beatle. Der Blue Beatle hieß im richtigen Leben Ted Kord und war ein reicher Industrieller und Erfinder. Die Figur stammt aus einem der zahlreichen, längst vergessenen Zukäufe von DC. Blue Beatle flog mit seinem Bugmobil herum und bekämpfte nur mit Hilfe von Gimmicks Verbrechen. Fast so wie Batman, nur nicht so düster.
Irgendwann wurde seinem Alter Ego eine Kiste Kryptonit gestohlen. Er untersuchte den Fall, stieß auf etwas und teilte das den Helden mit. Doch da diese sich alle nicht mehr untereinander vertrauten und andere Dinge zu tun hatten, nahm der Blue Beatle die Untersuchungen selber in die Hand. Sie führten ihn zu einem Schloss in der Schweiz. Hier residierte die geheime Organisation Checkmate. Checkmate wurde von der US-Regierung finanziert und sollte die Superhelden beobachten.
Blue Beatle fand den ehemaligen Millionär und Superheldenteam-Unterstützer Maxwell Lord an der Spitze dieser Organisation. Lord hatte Checkmate von der beobachtenden Funktion zur aktiven gewandelt. Lord, der selber eine sog. Meta-Gabe besitzt, war der Meinung, die Superhelden müssten ausgelöscht werden. Die Welt gehöre in die Hände von Menschen, nicht Übermenschen.
Aus diesem Grund schuf Lord Nanoroboter, die in Menschen injiziert wurden, um aus ihnen perfekte Kampfmaschinen zu machen, die fast jedem Meta-Angriff standhalten können, die Omacs. Zur Überwachung riss Lord einen Überwachungssatelliten an sich, den Batman benutzte, um Superhelden – er war ja selber kein Superheld – zu überwachen. Lord programmierte den Satelliten um – Brother Eye war geboren.
Lord, der die Gedanken von Menschen beeinflussen konnte, wollte nun Blue Beatle auf seiner Seite haben. Als dieser das Angebot ablehnte, schoss Lord ihm kaltblütig in den Kopf. Auch so eine Neuigkeit, die es bis dahin nicht gab: Lord ging eigentlich als so etwas wie ein Held durch. Nun erschießt er einen „echten“ Helden!?
Die Tatsache, dass Batman einen Überwachungssatelliten hatte, förderte übrigens nicht das Verhältnis der Helden untereinander – besonders nicht das zu Batman.
Schließlich noch: Der Planet Oa, der bisher das Zentrum des Universum darstellte, war auf einmal nicht mehr das Zentrum. Im Weltall wurden auf mysteriöse Weise Planeten verschoben (s. Randkrisen). In einer der letzten JLA-Hefte wurde der Wachturm der Liga, der sich auf dem Mond befand, zerstört und Martian Manhunter, der gerade dabei war, etwas Wichtiges zu entdecken, verschwand auf nicht geklärte Weise.
Die Tat
Lord konnte Gedanken beeinflussen. In der laufenden Superman-Serie gaukelte er dem Stählernen vor, dass seine Freunde und die Menschen, die er liebte, von bösen Schurken geqäult wurden. Superman rastete aus und tötete seine Gegner beinahe. Nur, dass da keine Gegner waren! So prügelte Superman in seinen Wahnvorstellungen beinahe Batman zu Tode.
Wonder Woman fand heraus, dass Superman „gelenkt“ wurde. Da ein amoklaufender Superman eine arge Gefahr darstellt, musste diese Quelle beseitigt werden. Sie konfrontierte Lord, dieser prahlte damit, dass er jederzeit Superman wieder unter seine Kontrolle bekommen könnte. Daraufhin brach Wonder Woman Lord das Genick. Dank Brother Eye wurde diese Tat einer Heldin weltweit übertragen. Jeder sah, wie Wonder Woman einen normalen Menschen tötete. Auch nicht gerade vertrauensfördernd. Überall, in allen Ecken, an allen Fronten kriselte es. Das ist eine wahre Krise!
Randkrisen
Es gab viele weitere, kleine Krisen. So gab es die Geschichte, in der der Planet Rann den Planeten Thanagar aus der Umlaufbahn schmiss, woraufhin dieser zerstört wurde. Es brach ein Krieg zwischen Rann und Thanagar aus.
An einer anderen Stelle übernahm ein dunkler Kristall die Kontrolle über eine junge Frau, die daraufhin zu Eclipso wurde. Ein uralter Gegner der Justice League of America, die sich übrigens in diesem ganzen Gekrisel auflöste. Eclipso machte sich auf den Weg und „vergiftete“ die Gedanken des Spectre, des Zornes Gottes. Der Spectre ist eine sehr alte Figur im DCU. Früher war der Spectre immer an eine menschliche Seele gebunden, was eine gewisse Balance erzeugte. Doch der Spectre war schon seit einiger Zeit ohne Wirt und so konnte Eclipso ihm einreden, dass alles Böse auf dieser Welt von den Magiern ausgehe. Der Spectre machte sich auf, um alle Magie zu zerstören.
Während diverse magische Wesen getötet oder ihrer Kräfte beraubt wurden, formierte sich eine sehr illustre Gruppe. Wieder wurden B-Helden ins Rennen geschickt, Helden, von denen ich teilweise lange nichts oder noch nie etwas gehört hatte: das Shadowpact war geboren. Beide sehr lesenswerten Geschichten (‚Rann-Thanagar-Krieg‘ und ‚Tag der Rache‘) sind in einem sog. Monsterband bei Panini erschienen.
Superboy (Conner Kent), der ein Halb-Klon von Superman ist, wurde von Lex Luthor manipuliert. Wie man nämlich erfahren musste, stammt die menschliche Hälfte von Superboy (einen „ganzen“ Kryptonier konnte man nicht klonen) von Lex Luthor. Dieser hatte einen Trigger in Superboy eingebaut und als er diesen auslöste, war Superboy kurz davor das Junior-Superhelden-Team Teen Titans auszulöschen.
Die unendliche Krise
Sieben Hefte, eines stärker als das andere, das ist die Infinite Crisis aus der Feder von Geoff Johns. DC-Chefredakteur Dan DiDio gab ihm frei Hand und wollte Blut sehen. Einige Szenen sind unglaublich beeindruckend geschrieben. Entweder sind es die Dialoge oder das Geschehen, das einem den Atem raubt.
Die Krise weitet sich langsam aus, überall herrscht Misstrauen, die Schurken-Liga greift immer härter an. Das Geschehen wird beobachtet von Personen im „Hintergrund“. Am Ende des ersten Heftes erfahren wir, dass diese Beobachter, die den langsamen Verfall der Werte und der Helden angesehen haben, niemand anderes sind, als Alexander Luthor, Superman von Erde-2 und Superboy-Prime. Ganz richtig – diese Drei gingen am Ende der vor 20 Jahren stattgefundenen Crisis on Infinite Earths an einen Ort, wo immer Frieden herrscht. Von ihrem Beobachtungsposten aus, der jenseits dieser Realität liegt, haben sie mit angesehen, wie eine Erde, die einzige Erde, trotz ihres Potenzials immer mehr verkam.
In der Zwischenzeit startete Brother Eye eine Offensive gegen die Amazonen von der Paradiesinsel, der Heimat von Wonder Woman. Als einzigen Ausweg wählte Wonder Woman, dass die Paradiesinsel aus dieser Realität verschwinden müsste. Keine Paradiesinsel also mehr. Wonder Woman steht ganz alleine da.
Der Leser lernt, dass hinter all den Verwürfnissen, den Angriffen auf die Superhelden, der Vernichtung der Magie durch den Spectre und der Gründung der Superschurken-Liga niemand anderes stand als Alexander Luthor (im letzten Fall war er es, der als Hologramm den Lex Luthor miemte). Er und Superboy-Prime wollten die einzig wahre, die gute Erde wiederaufleben lassen. Dass das Multiversum geopfert wurde, damit eine so kranke Erde entstand, das konnte nicht angehen. Alexander baute mit Resten des Antimonitors und mit (unfreiwilliger) Hilfe von diversen Helden, eine Maschine, die es ihm ermöglichte, ein neues Multiversum zu kreieren. Nur, um sich aus der Vielzahl der Erden gottgleich eine neue, saubere Erde zu schaffen. Als Antriebsenergie diente ihm die chaotische Magie, die bei dem Amoklauf des Spectre freigesetzt wurde.
Als erste Erde wurde eine Erde-2 für den von dort stammenden Superman geschaffen. Die „Schöpfung“ fand im neuen Zentrum des Universums statt. Die Vorarbeiten dazu hatte Superboy-Prime ausgeführt, der unbedingt seine Erde wieder haben wollte. Eine Erde, auf der er der einzige Held war, eine Erde, die unschuldig war. Doch die Manipulationen von Alexander Luthor ließen ihn für das Erreichen seines Ziels sehr blutrünstige Wege gehen. Superboy-Prime tötete so manchen Helden auf sehr unansehnliche Art.
Superboy-Prime kämpfte gegen eine Vielzahl von Helden, bis ihn die Speedster (die Flashs) in die Speedforce brachten. Die Speedforce ist die Quelle aller Speedster – auch sie wurde geopfert! Der aktuelle Flash (Wally West) verschwand, während am Ende der Krise Kid Flash (Bart Allen) als Erwachsener im Flashkostüm wieder in der Gegenwart erschien – danach hatte er keine Kräfte mehr.
Schließlich konnte sich Superboy-Prime aus der Speedforce befreien (bevor sie sich auflöste) und erneut den Kampf für seine Erde aufnehmen. Mittlerweile hatten sich sogar Superman und Superman von Erde-2 zusammengetan, um Superboy-Prime aufzuhalten. Dieser tötete übrigens auch am Ende von Band 6 Conner Kent alias Superboy! Während des Kampfes zwischen den beiden Superboys wurde die Maschine von Alexander Luthor zerstört. Eine neue Erde war geschaffen.
Mit vereinten Kräften schafften es die Helden, darunter auch das gesamte Green Lantern Corps, Superboy-Prime gerade noch davon abzuhalten, in den Kern von Oa vorzustoßen, um einen Urknall auszulösen. Dabei starb Superman von Erde-2.
Am Ende wird der Leser in eine neue, vollkommen unbekannte Welt entlassen. Superman verliert beim finalen Kampf gegen Superboy-Prime (der nebenbei erwähnt vom Green Lantern Corp gefangen gehalten wird) seine Kräfte, Wonder Woman hat keine Heimat mehr und muss lernen, was es heißt, ein Mensch zu sein und Batman besinnt sich darauf, dass ein Leben als Eigenbrödler nicht sein dürfe und tritt eine lange Reise mit Nightwing (Dick Grayson, dem ersten Robin) und dem aktuellen Robin (Tim Drake) an.
Unterm Strich ist die Infinite Crisis eine extrem komplexe, lange im Voraus geplante, brillant erzählte Geschichte, die den Leser unbedingt anspricht! Geoff Johns hat unglaubliche Arbeit geleistet, er hat B-Helden in die erste Reihe gerückt, liebgewonnene Helden (und Schurken) kurzerhand umgebracht und eine komplett neue Erde mit riesigem Potenzial für weitere, packende Geschichten geschaffen. Die Geschichte wurde durch wunderschöne Zeichnungen der beiden Hauptzeichner Phil Jimenez und das Urgestein George Pérez illustriert.
Kommentare (2)
Mensch… hör doch mal auf soviel Kram zu schreiben. Kommt man mit lesen gar nicht mit. 😀
Zum einen habe ich schon diverse wichtige und spannende Details ausgelassen, zum anderen zeigt die Länge doch, wie komplex die ganze Story ist. Die Vorarbeiten dauerten ganz schön lange. In der einen oder anderen laufenden Serie wurden von Zeit zu Zeit schon lange im Vorfeld Hinweise auf die Krise gegeben. Manchmal nur in einem Nebensatz.
Ich empfehle wirklich jedem diese Geschichte. Wird bestimmt als Sammelband erscheinen. Die ebenfalls spannende „Identity Crisis“ ist es schon. 😉
Ich stehe übrigens dazu: Comics sind keine billigen Groschen-Heftchen mehr. Schon lange nicht. Das sind exzellent geschrieben Geschichten, die oft mit wunderbaren Zeichnungen daher kommen! Zu Recht als „neunte Kunst“ bezeichnet.