Zweimal hinschauen

Zwei nette Beispiele dafür, wie man Sachverhalte so dreht und biegt, bis sie einen in einem angenehmen Licht dastehen lassen. Gut, das erste Beispiel wurde lediglich aufgegriffen, weil es die Hamburger Schulpolitik rosig aussehen lässt. Dabei muss man fragen, woher die Daten für den positiv gefärbten Bericht im Senatsblatt stammen?

Es heißt, Hamburg werde eine gute Note für seine Schulreformen verliehen. Wer macht das? Nicht die Schulbehörde selber — das wäre ja noch schöner. Das Institut für Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) hat Hamburg in seinem „Politik-Check Schule“ die Schulnote Gut zugesprochen. Was, so schmeißt das Senatsblatt dem Leser noch den ganzen Zaun an den Kopf, natürlich ein Verdienst der früheren Schulbuch-Desaster-Senatorin Alexandra Dinges-Dierig wäre. Einmal Honig hier, einmal Honig da.

In dem Bericht wird kein bisschen kritisch nachgefragt, wie solche Noten zustande gekommen sind. Warum auch? So eine Propaganda Meldung macht sich doch hervorragend. Es gibt sie aber, die kritischen Stimmen. So bemängelt Thüringens Kultusminister Bernward Müller (CDU):

Die zum Teil willkürlichen Festlegungen, was an Schule gut und was als schlecht zu bewerten sei, seien nicht hilfreich. Schule dürfe nicht nur durch die wirtschaftspolitische Brille betrachtet werden.

Die GEW ist ebenfalls skeptisch. Man wisse nun, wo die Reise hingehen solle.

Die Wirtschaftslobby verteile Kuschelnoten für Bildungspolitik.

Denn: Das Gute-Benimm-Sternchen-Verteiler-Institut INSM wird mit rund 8,8 Millionen Euro jährlich von den Arbeitgeberverbänden der Metall- und Elektroindustrie finanziell getragen. Die Hamburger Medien- und Politikwissenschaftler Sabine Nehls und Magnus-Sebastian Kutz kritisieren, dass die Zielsetzung des INSM sei, die Einstellung der Öffentlichkeit zu marktwirtschaftlichen Reformen zu verändern. Das scheint dem Senat zu gefallen, das scheint dem Senatsblatt zu gefallen.

Rotstift angesetzt

Dem Senat schien allerdings nicht zu gefallen, was sie selber auf die Kleine Anfrage 19/385 zu sagen hatten. Die SPD wollte die „Hintergründe des Tötungsdelikts“ im Fall der 16-jährigen Morsal O. erfahren. Der erste Entwurf liest sich offensichtlich anders, als die noch einmal überarbeitete Version. Man könnte auch sagen: geschönigte Version. Schön ist der sog. „Ehrenmord“ selbstredend nicht, das hat der Senat dann auch selber festgestellt und einige Passagen stark abgemildert.

Was nur wieder einmal beweist, dass man genau aufpassen muss, woher das, was man liest, stammt. Ist es ein marktwirtschaftliche Reformen anstrebendes Institut, das einigen Landesregierungen Honig um den Bart schmiert, oder ist es eine Behörde, die feststellt, dass sie Bockmist gebaut hat und nun mit dem Weichzeichner ans Geschriebene geht?