Seit Wochen ist sie das beherrschende Thema in den Medien: die Finanzkrise. Da werden Millionen und Milliarden in Branchen reingepulvert, um sie irgendwie am Leben zu erhalten. An jeder Ecke steht die dunkel vermummte Gestalt namens Rezession. Sie wird kommen. Nächstes Jahr sehen wir schwarz. Im Grunde können wir uns alle jetzt schonen einen Strick nehmen (mit Ausnahme von Banken und Co.).
Eigentlich dachte ich, wäre eine „normale“ Reaktion auf all diese Horrornachrichten, dass Mensch sich ängstlich umschaut, sein Portemonnaie fester an sich drückt und den Gürtel enger schnallt. Wenn das große Loch kommt, will ich gewappnet sein, dann brauche ich ein Polster.
Nichts! Nach dem ersten, war auch das zweite Adventswochenende für den Einzelhandel sehr zufriedenstellend. Die Menschen kaufen. Schön für die Wirtschaft — aber ist das eine bewusste Handlung? Frei nach dem Motto: Lass mal kaufen, um dem Loch den Boden unter den Füßen wegzuziehen — jetzt erst recht!? Ich glaube kaum.
Eher ist es wohl so – denke ich mir einmal –, dass der Deutsche (nicht nachgesehen, wie es in anderen Ländern ausschaut) schlicht keine Lust auf Rezession hat. Das klingt so gruselig, so weit fern, so unreal und nicht greifbar, das wird einfach in die hinterste Ecke des Denkapparats geschoben. Lass die Anderen (wer auch immer) Rezession machen, ich kauf‘ mir jetzt erst mal ‚was.
Das erinnert mich daran, dass die Bereitschaft auf die Barrikaden zu gehen auch bei der Mehrheit verloren gegangen ist. Es gibt sie noch, die Datenschutzwahnsinn-Gegner, die für ihre Meinung auf die Straße gehen. Das Gros ist jedoch träge und lässt auch hier lieber „die Anderen machen“. Irgendwie wird diese Steuererhöhung oder diese Spritverteuerung oder jene Beschneidung schon wieder „weggehen“. Dafür aufzustehen – machen die wenigsten Bürger heutzutage noch. Zu faul geworden? Es verlernt? Zu satt? In anderen Ländern, so hat es den Anschein, ist die Bereitschaft für etwas zu protestieren größer. Damit meine ich nicht das hierzulande typische Gemeckere, sondern „Aktion“.
Dabei fällt mir das Zitat von Stalin ein. Mit dem Herrn habe ich herzlich wenig am Hut, aber das Zitat hat ‚was:
In Deutschland kann es keine Revolution geben, weil man dazu den Rasen betreten müßte.
Und der Rasen ist hierzulande heilig. — Mit der Nagelschere getrimmt, oder mit den Stollenschuhen beackert …
Kommentar (1)
Habe ich auch kürzlich mit meiner Mama drüber gesprochen. heute gibt es gar keine Bewegung mehr, die Leute gehen nicht mehr für das, an das sie glauben, auf die Straße. Keine Studentenbewegung, kein gar nichts.
Ich bin ja froh, dass es hier einigermaßen sicher ist, aber könntest Du Dir vorstellen, dass es hier heute noch mal sowas wie die RAF gibt. Versteh mich nicht falsch, ich heiße die nicht gut, ich mein halt, Leute die für das kämpfen, an das sie glauben.