Seit einigen Wochen ist es wieder so weit, der Bürger muss tapfer und standhaft sein, will er die letzten Tage auch noch heil überstehen. Sie sind wieder da. Sie belästigen wieder und buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Die Rede ist natürlich von den Wahlplakaten. In Hamburg wird am 20. Februar gewählt. Da gilt es präsent zu sein und möglichst viel zu beeinflussen.
Es gibt die kleinen Aufsteller und wir finden auch wie jedes Mal die großen Plakatwände, die, die uns u.a. auf knapp elf Quadratmeter großen Wesselmann-Tafeln anschreien.
Schreien ist auch schon das Stichwort. Eigentlich mag man eher an einen Marktschreier denken, der in seinem Ringel-Shirt herumsteht und aus voller Kehle schreit. Jeder, der vorbeikommt, wird mit einem Schwall heißer Luft eingedeckt. Laut ist es, aggressiv und irgendwie peinlich, was die Hamburger C-Partei derzeit an den hanseatischen Straßen platziert hat. Große Lettern, lange Sätze, die versuchen etwas zu er klären, zu beeinflussen. Da haben wir den kessen Spruch mit der gesunkenen Kriminalität, die wir alle unserem ehemaligen Innensenator und jetzigen EB zu verdanken haben. Auch wenn das nur Statistik-Gefummel ist. Keck fragt er am Ende in C-Orange „… und nu?“
Aber auch der große, weiße, plakative Angriff auf die Schmerzgrenze der Hamburger, die, wenn sie Citymaut und Schulchaos wollen, doch bitte rot-grün wählen mögen. Inhalte, also eine Aussage, was man denn selber machen will in Zukunft, die fehlt. Immer anklagen und draufhauen.
Das haben sie sich wohl von der bayrischen C-Partei abgeschaut, die erst vor einigen Wochen mit ihrem selten dämlich, äußerst peinlichen Anti-Grünen-s.o. auffiel. Platter und dummdreister geht es wohl kaum. Man muss die Grünen nicht mögen. aber so auf einen Angstgegner draufzuhauen, so um sich zu schlagen, das grenzt an Kindergarten-Niveau. Zum Glück gibt es eine wunderbare Gegenantwort der heuteshow des ZDF.
Hamburgs Pferdestaffelliebhaber Nummer eins will an der Macht bleiben, nicht indem er zeigt, was er kann, sondern indem er Angst benutzt. Klassische, wenn auch billige Art der Anbiederung. Dazu wird dem potenziellen Wahlschaf ins Gesicht und Gewissen geschrieen.
Fährt man dann weiter, kann man auch andere Wesselmänner antreffen. Während der amtierende EB wie die Schlange Kaa in die Kamera starrt, schaut der Herausforderer Scholz eher unaufdringlich in die Zukunft. Dieses Bild wirkt ruhiger. Auch muss man sich nicht vor Angst und Schreierei ducken. Ja, da ist eine gewisse Affinität zu erkennen, aber davon abgesehen, im Versuch die Plakate objektiv zu betrachten, wirken Scholz‘ Wahlplakate ruhiger, aufgeräumter, unaufdringlicher und damit freundlicher. Neben dem suchenden – nicht dem herausfordernden oder gar provozierenden – Blick, steht schlicht „Vernunft“, „Klarheit“ oder „Verantwortung“. Angst, wie vom Konkurrenten eingesetzt, ist nicht vernünftig. Wollen wir hoffen, dass sich Hamburg nicht von der Furcht beeinflussen lässt. Und ja, über ein Programm sagen diese Plakate dann auch nichts aus.
Während die Großen groß werben, müssen die Kleinen im kleinen Maßstab auf sich aufmerksam machen. Dabei liebe ich die Plakate der Piraten-Partei (s.o.). Zwar habe ich mit den Jungs und Mädels nicht viel am Hut, aber hier hat man wenigstens Themen bildlich aufgegriffen und sagt auch etwas über ein Programm aus. „Nebenbei“ wird auch gegen Verschwendungssucht der CDU oder die Verlogenheit der GAL geschossen. Hatten die Grünen in Hamburg zur letzten Bürgerschaftswahl noch den wunderbaren Spruch „Kohle von Beust“ auf dem Plakat, wurde dieser nach der Ehe schnell vergessen … Hier schlägt wunderbar treffend der Piraten-Spruch „Kohle ist jetzt grün“ in die Kerbe. Hoffentlich tut es weh!
Zumindest hat das Verhalten der Grünen auch zu kritischen Kommentaren auf GAL-Plakaten geführt (s. ebenfalls oben).