Gedanken zur Hamburger Architektur

Zugegeben, er hätte sich weniger proletenhaft und ungehobelt geben können. Ein Interview sollte ohne all diese Vulgärausdrücke und das Geschimpfe auskommen. Dennoch hat Alt-Designer Colani gar nicht so Unrecht, wenn er auf die Elbdisharmonie schimpft. In dem Interview meinte er:

Eure beschissene Elbphilharmonie ist absolut kein Wahrzeichen! Dieses Gebäude könnt ihr euch an den Arsch klatschen!

Wie gesagt – man kann es auch netter ausdrücken. Dennoch spricht er mir aus der Seele. Wie ich weiß, bin ich mit der Meinung auch nicht alleine, also kann das nicht wieder in ein Nils-Gebashe ausarten.

Colani hat Recht mit der Aussage, dass wir uns an der Natur versündigen und uns das irgendwann (eher früher als später) in den Arsch beißen wird. Im Grunde macht Hamburg mit seiner Architektur auch nichts anderes – sich versündigen. Ich behaupte immer noch, dass Walter nicht als der beste, der mutigste, der einprägsamste Oberbaudirektor dieser Stadt in die Geschichtsbücher eingehen wird. Man hat den Eindruck, er versucht (das ist natürlich nicht er alleine, da steckt noch ein ganzer Haufen Architekten dahinter) all die Architektur in die Stadt zu holen, die „in“ ist. Zugegeben, das ist etwas, was immer – auch in der Architektur – vorhanden ist: Moden. Dennoch sollte man darauf achten, ob man ein Gebäude in der Art gestaltet, dass es „in“ und „hipp“ ist, nur um auf dem internationalen Markt mitglänzen zu können, oder ob man sich mit erhobenem Haupt hinstellt und Nein sagt. Nein, wir machen nicht alles mit, was man auch woanders sieht. Wir sind Hanseaten, wir sind stolz, wir stehen uns unserer Geschichte und unserer Stadt.

Wie schön wäre es, wenn sich Stadtplaner einmal darüber Gedanken machten, was man anstellen könne, damit Hamburg ein einzigartiges, ein individuelles, ein charismatisches Gesicht erhält, nicht eines, das sich gut auf Hochglanz-Broschüren macht. Ich wünsche mir ein typisch hamburgisches Profil. Dazu gehört nicht langweiliges, glattes Stahl und Beton-Einerlei. Das ist profillos. Es hilft auch nichts, wenn man die gerade angesagte Container-Bauweise benutzt, bei der eine Etage – oder ein Teil davon – mal etwas nach hinten, mal etwas nach vorn. geschoben ist. Nicht vorhandene Symmetrie ist nicht unbedingt mit „hat Profil“ gemeint.

In Hamburg haben wir Klassizismus, Prunk und einen Hauch von Architekturadel. Ganz so verspielt und pompös muss es nicht sein. Das war eine andere Zeit. Eine schöne Zeit, aber eine vergangene. Wir haben zudem Backsteinbauten. Bauten von vor dem Krieg, etwas Bauhaus, Nachkriegsbauten, die „Hauptsache zum Wohnen“ da waren. Schließlich einige gruselige Bauten aus den 70ern. Und eben die pure Langeweile der Gegenwart.

Dabei ist es so einfach. Man nehme einen Backsteinbau, lasse eine oder zwei Steinreihen etwas weiter herausstehen, oder man nehme einen anderen Stein – schon ist es weit aus individueller und origineller als die meisten Stahl- und Glasbauten. Wobei ich letztens eine Fassade in der gruselige HafenCity sah und dort war es offensichtlich, dass der verwendete Backstein gar kein Backstein war, sondern nur eine Imitation. So nun auch wieder nicht, liebe Leute …

Fette Höfe in Ottensen

Wie ging mir kürzlich das Herz auf, als ich am Ottensener Spritzenplatz sah, dass ein Neubau, der zwischen zwei Häuserfronten reingequetscht wird, Elemente aus seiner Umgebung aufnimmt. Bei dem Projekt Fette Höfe (Warum eigentlich heißt neuerdings jedes Neubaugebiet „Irgendwas Höfe“?) wird eine Hälfte der zum Spritzenplatz zugewandten Seite der Klassizismus der Umgebung aufgegriffen. Die Bauten im Innenhof sind dann wieder ganz modern, kastenförmig langweilig, aber nach vorn. hinaus wird wenigstens teilweise das Gesamtbild gewahrt. Und seien wir ehrlich: Klassizismus hatte Gesicht, nicht wie die Stahl- und Glas-Langeweile von heute.

Abschließend sei – etwas abseits vom Thema – erwähnt, dass sich Hamburgs Gesicht auch nachträglich durch Wärmesanierung verändert. Leider nicht zum Vorteil. Hier müssen noch befriedigende Lösungen gefunden werden.