Ein Wunder, das kein Wunder war

Wo man geht und steht: überall sind die Abhängigen, die Junkies, die, die nicht mehr ohne können. Egal ob auf der Straße, im Auto, im Bus, auf dem Fahrrad, im Laden, im Kino, im Café, im Park — überall sind die Handy-Jünger unterwegs. Ich frage mich immer, was die Leute vor – sagen wir einmal – zehn Jahren gemacht haben? Da drehte sich auch die Welt, da wurden auch Geschäfte gemacht, da war man auch irgendwie erreichbar, und sei es über einen Anrufbeantworter. Menschen trafen sich, Menschen lernten sich kennen, verloren sich nicht aus den Augen. Nur heute, da können sie – aus mir nicht verständlichen Gründen – nicht mehr ohne.

Wenn man „damals“ jemandem etwas mitteilen wollte, ganz dringend, dann ist man eben schnell in eine Telefonzelle gegangen. Ich erinnere mich noch an die gelben Zellen, die man weithin sehen konnte. Heute sind sie grau und unscheinbar. Oft sind es noch nicht einmal mehr Zellen, sondern nur „Unterstände“ mit einem Etwas von einem Dach und einer mickrigen Scheibe an einer Seite – wenn man Glück hat.

Um so mehr freute mich heute folgendes bild. Ein Mann fährt in seinem Wagen auf eine Bushaltestelle, springt raus und geht in eine Telefonzelle. Als ich über die Straße kam und mich der Haltestelle näherte, kam der Mann wieder heraus. Holla! Ein Mensch, der in der heutigen Zeit eine Telefonzelle benutzt!? Wunder geschehen also doch noch!

Blitzschnell ging mir die Frage durch den Kopf, warum er das gemacht hat? Vielleicht kam der Mann aus einem anderen Land und sein Mobilfunk-Netz funktionierte nicht, also musste er eine Telefonzelle besuchen? Blick in Richtung des Wagens… – Nee, aus dem Ausland war der nicht. War noch nicht einmal ein „Kunde“. Der Mann kam von der Telekom und kontrollierte oder reparierte da irgendwas. Schade. 🙁

Kommentare (3)

  1. Ecki schrieb:

    Stimmt, es ist schon seltsam. Noch vor 6 Jahren, als ich mir mein erstes „Handy“ (warum gibt es da eigentlich noch immer kein passenderes Wort?) zugelegt habe, wurde ich deswegen von Freunden aufgezogen. Dabei hatte ich es mir nur zugelegt, weil ich sonst in meiner kurzzeitigen Unterkunft überhaupt nicht erreichbar gewesen wäre.

    Heute gilt es als selbstverständlich, immer und überall erreichbar zu sein. Leider ist die real vor einem stehende Person für die meisten Menschen nicht so wichtig wie das Klingen des Handys. Das hat mich schon immer, entschuldigung, angekotzt und wird es wohl auch noch in 30 Jahren tun.

    Mittwoch, 17. Januar 2007 um 20:20 #
  2. e.e.r. schrieb:

    kommt ja wohl immer darauf an, was man daraus macht… mein handy ist ständig auf lautlos – das höchste der gefühle ist: vibration. aber immer noch besser, man hat ein handy in der tasche, als dass man im entscheidenden moment keine 30 (?) cents in der tasche hat, oder die telefonzelle ist kaputt…

    Mittwoch, 17. Januar 2007 um 21:26 #
  3. Roland schrieb:

    Ich schätze mal, daß ich eines Tages der letzte Mensch ohne Mobiltelefon sein werde. Man kann mich im Büro erreichen oder im Büro, und wenn beides nicht geht, dann bin ich eben nicht erreichbar. Ende. Ich weiß gar nicht was daran so schwer sein soll.

    Freitag, 19. Januar 2007 um 13:24 #