Solo

Vor gut drei Jahren (oder zwei) war ich mit einem alten Schulkamerad im Schlachthof (heute Knust) um Paul Wellers Hamburg-Station seiner damaligen Akustik-Tour zu erleben. Nach einer guten halben Stunde merkte ich, dass ein einzelner Sänger, nur mit einer Gitarre bewaffnet, doch mit der Zeit langweilig und vor allem anstrengend wird.

Gestern dann wieder ein Solo-Konzert. Diesmal in der Fabrik. Serviert wurde Midge Ure. Mein mittlerer Bruder ist damals mit Ultravox infiziert worden. Na und wenn der große Bruder andauernd von einer Band in beigen Trendcoaches spricht und deren Musik hört, dann färbt das mit der Zeit ab. Das letzte Konzert (ebenfalls in der Fabrik) zu seiner letzten Studio-Scheibe – Midge Ures, nicht die meines Bruders – , Move Me, war klasse, wie würde ein Soloauftritt ankommen? Ich war skeptisch. Vor der Fabrik noch Herrn L. getroffen, mit dem ich ja sonst gerne ins Kino gehe. Großes Hallo. Vor dem Eingang warteten wir noch auf den letzten aus der Gruppe. War sehr leer. Man witzelte noch, was passieren würde, ginge man während des Konzert raus. Ob da wohl messbare Prozente im Publikum verloren gingen? Na. Der letzte Mann war schon drin, wie wir dann feststellen konnten. Direkt vor der Bühne waren Stühle aufgestellt. Uuhh. „Wird das so lahm?“, dachte ich noch. Zweite Reihe war unsere Reihe.

Zuvor kam als Vorgruppe noch der Ahrensburger Jung‘ Robin Grubert auf die Bühne. Einsam, mit Gitarre vorm Bauch, redlich darum bemüht, uns zu gefallen und den Saal – der dann doch noch ansehnlich voll wurde! – in Stimmung zu bringen. Gut, die Musik war nett. Muss man wohl mal in aller Ruhe hören. Auf alle Fälle konnte er Stimmung erzeugen, da er auf eine verschmitze Art und Weise das Publikum auf seine Seite zog. Nett.

Nach einer kurzen Pause dann endlich Midge Ure. Midge stand das gesamte Konzert über. Nur ein Scheinwerfer auf ihn gerichtet. Alt ist der Gute mittlerweile (52 Jahre). Aber das hielt ihn nicht davon ab, ein grandioses Konzert hinzulegen. Meine Herren, der Junge hat es immer noch drauf. Gute 80 Minuten gab es eigentlich alle Klassiker, nur mit Gitarre, einer wunderbaren Stimme und in teils neuem Gewand präsentiert. Midge Ure hat einfach eine zu tiefst beeindruckende Stimme. Klasse! Zwischendurch erzählte er in fiesem schottischen Englisch einiges zu seinen Liedern, kleine Anekdoten und zwei oder drei Zurechtweisungen, weil einige der älteren Fans (Ich war wohl mit meinen zarten 32 Jahren eher ein Kücken…) ständig mitklatschen wollten. Nicht, dass das alleine schon nervt, es war auch zudem falsch und brachte ihn aus dem Takt. In der ersten Reihe, direkt vor uns, war eine Altherrenriege, die bestimmt irgendwann einmal vor langer Zeit auch bessere Zeiten erlebt hat. Die Jungs flippten total aus. 25 Jahre zur Unbeweglichkeit gezwungen, hatten die, so schien es, an dem Abend Ausgang. Ziemlich zum Schluß erheiterten sie uns aber alle, weil nach dem ersten Abgang von Midge Ure – riesiger Applaus – das Gespann der Meinung war, einen Liedwunsch äußern zu müssen. Als das Geklatsche langsam nachließ, Midge wieder auf der Bühne war, hörte man drei Mittfünfziger „Do they know it’s Christmastime?“ skandieren. Nicht ganz passend. Entsprechend große Augen ernteten sie auch von Midge Ure. 🙂

Während des Konzerts kamen mir übrigens jeweils für ganz kurze Momente so grausame Bands wie Juli, Silbermond und Co. in den Sinn. Und ich musste feststellen, dass ich das große Glück hatte, einen exzellenten Künstler vor mir auf der Bühen zu haben, der etwas kann, was diese Retorten-Radio-Pusch-Bands nicht können: Singen, gute Lieder schreiben und sein Instrument beherrschen. Auch im fortgeschrittenen Alter.

10 von 10 Punkten! 14 Euro, die wirklich gut angelegt waren. Midge tritt noch in Isernhagen (1.11.), Bonn (3.11.) und Reichenbach (4.11) auf.