So ganz verstehe ich es nicht. In Hamburg soll das Schulsystem grundlegend verändert werden. Haupt- und Realschule samt Gymnasium sollen bis 2009 der Vergangenheit angehören. Das Schlagwort der Legislaturperiode lautet „Zwei-Säulen-Modell“. In Zukunft soll es nur noch das Gymnasium auf der einen und die sog. Stadtteilschule auf der anderen Seite geben.
Zu meiner Zeit gab es nach der vierten Klasse eine vom Klassenlehrer ausgesprochene Empfehlung, auf welche Schule das Kind ab der fünften Klasse gehen sollte. Da konnte es auch mal heißen „Das Kind ist eigentlich ein Gymnasium-Kandidat, aber aufgrund des Lernverhaltens oder des Nervenkostüms rate ich zur Realschule.“ Das wird es wohl in Zukunft auch nicht mehr geben. Dann wird ein Test gemacht. Tests sind das Allheilmittel. Eine Stunde Test und wir wissen genau, wie das Kind drauf ist, die Zukunft ist geklärt. Tests werden derzeit (spätestens seit PISA) überall gemacht. Tests sind Mode.
Unterm Strich wird dann herausgefunden, ob das getestete Kind „wissenschaftlich begabt“ ist, dann kommt es auf das Gymnasium, kann nach der zwölften Klasse sein Abitur machen und danach auf die Uni, um etwas zu studieren, was die Menschheit voran bringt. Ist das Kind nicht wissenschaftlich begabt, dann bekommt es den Stempel „handwerklich begabt“ aufgedrückt und landet in der Resteverwertung Stadtteilschule. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen.
Es stellte sich mir die Frage, was denn eine Stadtteilschule sei? In anderen Städten soll es bereits solche Schulen geben, eine vernünftige Erklärung, wie ich mir so eine Schule vorstellen darf, die fand ich leider nicht. Daher hier einmal das, was ich mir bis hierher zusammenreimen konnte. Zunächst einmal: Der Hamburger Senat schafft die Hauptschule ab. Angeblich zum Wohle der Kinder, da sie „stigmatisiert“ wären. Lächerlich. Auf der Stadtteilschule soll es nur Realschüler und Gymnasiasten geben. Das klingt wie eine verkrüppelte Gesamtschule. Soweit ich gehört habe, soll es, nicht wie in der „echten“ Gesamtschule, kein Kurssystem geben. Eine der Stärken einer Gesamtschule. Wer in Math. nicht so gut ist, kommt in einen Kurs, der seinem Lerntempo angemessen ist. Das selbe Kind kann auf einer echten Gesamtschule aber in Englisch absolute spitze sein und wird entsprechend in einem Kurs unterrichtet, wo das Lerntempo angezogen ist.
In den Stadtteilschulen sollen also keine Hauptschulen zu finden sein, dafür aber Realschulen und „Gymnasien“ sowie — Gesamtschulen? Ich verstehe es nicht. Sorry. Die Gesamtschulen sollen nämlich auch noch weiterhin existieren. Oder? Haben die dann auch keinen Hauptschulzweig, resp. -kurs mehr? Weil alles was nach Hauptschule riecht ist ja laut Senat pfui und muss weg. Was ist mit Sonder- und Förderschulen? Auch weg? Stadtteilschulen werden also ein Auffangbecken „für den Rest“, für alles, was nicht schön und scheinend ist. Eine Zweiteilung, eine Stigmatisierung findet statt. Dabei sollte doch gerade das Stigma „Hauptschüler“ abgeschafft werden. Jetzt wird es durch das Stigma „Restschüler“ ersetzt?
Übrigens: Wenn es keine Hauptschulen gibt, dann werden dennoch immer noch Schüler vorhanden sein, denen man nach dem alten Modell der persönlichen Empfehlung eine Hauptschule nahe gelegt hätte. Schüler, deren Lerntempo gering ist, die eine besondere Betreuung und Förderung benötigen. Diese Kinder werden jetzt in der Resteschule zusammen mit Realschülern und „irgendwie auch“ Gymnasiasten (Abi nach 13 Jahren, aber eher „praktisch orientiert“) unterrichtet. Ich denke deshalb, dass die Hauptschüler, die keine sein dürfen, an den Stadtteilschulen untergehen könnten. Was macht man dann mit denen? Aus Hamburg ausweisen?
Irgendwie schmeckt mir dieses Modell nicht. Mir schmeckt es ebenso wenig, dass SPD dem Zwei-Säulen-Modell zugestimmt hat. Unangenehm ist mir die Aufteilung in Gut und Nicht-so-gut. Sauer stößt es mir auf, wenn sich die Öbersten auf Tests verlassen, um die Zukunft eines Kindes zu bestimmen. Zumal PISA und Co. bewiesen haben, dass die Lehrer ihre Schützlinge immer besser auf die Tests vorbereiten. Dabei kommen tolle, schöne Ergebnisse heraus. Gelernt haben die Kinder allerdings kaum etwas.
Es gibt noch Stimmen, die durchaus einen Sinn in der Hauptschule sehen. Anstatt sie abzuschaffen, wäre eine Überarbeitung des Konzepts vielleicht ganz angebracht!?