Fernsehen ist tot! Das behauptet zumindest in abgewandelter Form Thomas Knüwer. Dabei geht es um die Zerschlagung einer Fernseh-„Kultur“, eines halbwegs ausgewogenen Programms, indem bei Sat1 die Nachrichten abgeschafft werden. Will doch keiner sehen. Stattdessen lieber mehr Low-Level-Food und die tausendste Wiederholung.
Tja, die gute alte Flimmerkiste ist tatsächlich nicht mehr das, was sie mal war. Ich bin ein Kind der Serien. Ich habe Trio mit vier Fäusten gesehen, Ein Colt für alle Fälle, Magnum oder Star Trek – Next Generation und das im ZDF! Mit einer einzigen Unterbrechung! Wahnsinn. Und man musste die Serien sehen. Nicht nur, dass sie früher „irgendwie besser“ waren und sich ihren Kultstatus hart erkämpften (Heute wird einfach von den Medien irgendwo „Kult“ draufgeklatscht und schon hat es „Kult“ zu sein – so geht das aber nicht! :nene: ), es gab auch noch Gruppenzwang in Sachen Fernsehen. Heute gibt es nur noch Gruppenzwang in Sachen „Hast Du das Spiel schon gespielt?“, „Hast Du das Video schon auf Deinem Handy?“, „Hast Du schon dieses oder jenes neue Handy?“, „Hast Du schon die neue Scheibe von XYZ aus dem Netz geladen?“. Wer interessiert sich noch für Serien?
Den Großteil ihrer Serien haben die Deutschen immer aus dem Amiland bezogen. Schaut man in die Fernsehzeitschrift, die mir wöchentlich unaufgefordert mit je einem guten Kilo Werbung in den Briefkasten geworfen wird, dann bietet sich eine trostlose Landschaft. Einmal davon abgesehen, dass sich die Sehgewohnheiten stark verändert haben, läuft da doch nur Müll. Die Öffentlichen hauen hauptsächlich selbstgemachte Grütze in Form von Soaps auf den Markt. Dafür zahlt man Gebühren? Selten, dass sich bei denen eine gute Eigenproduktion (z.B. Türkisch für Anfänger) oder ein guter Import (z.B. Veronica Mars) findet.
Letzteres Beispiel landete beim ZDF, wenn ich mich recht erinnere vom Sonnabend-Nachmittag auf dem Sonnabend-Abend und dümpelt nun in der Nacht von Freitag auf Sonnabend herum. Warum? Weil den Zuschauern entweder nicht zugetraut wird, auch einmal etwas anspruchsvollere oder „andere“ Kost zu konsumieren, bzw. weil nach der zweiten Sendung „die Zahlen nicht stimmten“. Also auf einen anderen Platz damit. So kann sich der Fernsehmensch natürlich nicht an eine Serie gewöhnen und sie lieb gewinnen. Dafür braucht es ein gewisses Maß an Kontinuität — siehe alle Soaps…
Der fehlende Mut bei den Fernsehmachern zeigt sich immer wieder. So lese ich, dass die amerikanische Serie Heroes im Sauerkrautländle auf dem Resteverwertesender RTL II gezeigt wird. Im Amiland schlug diese Serie enorm ein! Es wird ein wahnsinniger Hype drum gemacht – zu recht – aber die Deutschen sind nicht bereit dazu. Nun könnte ich in diesem speziellen Fall den nicht vorhandenen Mut der Medienanstalten an den Pranger stellen, oder ich schiebe die Schuld auf die Deutschen als Fernsehzuschauer. Heroes hat etwas mit „Superhelden“ zu tun — eine Kost, die den Deutschen seltsamerweise nicht schmeckt. Wahrscheinlich wussten die RTLler das und haben diese sehr gute Serie deswegen lieber gleich auf den „kleinen Bruder“ abgeschoben. Schade.
Übrigens für alle angehenden Heroes-Fans: Der Heimatsender NBC hat eine Seite mit begleitenden Comics (auch so etwas, was die Deutschen nicht mögen. ins Netz gestellt. Hier kann man sich Comics laden, die zum einen einige Extra-Infos zu den Hauptfiguren geben, aber auch Geschichten von noch unbekannten Helden erzählen. Wer sich die Comics nicht laden möchte, der muss noch etwas Geduld aufbringen. Der Comic-Verlag DC bringt die gesammelten Geschichten auch als Band heraus.
Zurück zum Fernsehen. Werfe ich einen Blick in die TV-Werbezeitschrift, dann drängt sich mir der Eindruck auf, dass es eh nur ganz wenige Formate gibt. Da haben wir die bereits angesprochenen Soaps, die alleine durch ihr verwendetes Filmmaterial eine Beleidigung für Jeden sind. Dann haben wir eine Menge sog. Doko-Soaps. Da wird gezeigt, wie es ist, wenn man ganz viele Verwandte hat, also in einer XXL-Familie lebt, oder wie es ist, wenn man auswandert. Es wird gekocht, es werden Zimmer oder ganze Häuser renoviert, es wird in Wissensshows gezeigt, wie man alle Wurstsorten dieser Welt produziert *gähn* und bei den Öffentlichen extrem viel Volksmusik gemacht. Das hatte mich zu Fernsehzeiten schon immer gewurmt. Irgendwo las ich zwar, dass die Öffentlichen das so überhaupt nicht sähen, sie würden doch gar nicht „nur Volksmusik“ machen (hier ein ähnlicher Artikel) – ein Blick ins Fernsehheft kann diese Äußerung nicht bestätigen. Klar, sie haben auch Alibi-Sendungen im Angebot. Diese laufen eben nur zu nachtschlafenden Zeiten. Aber die Öffentlichen können sich hinstellen und sagen „Wir bieten doch auch andere Kost!“ Ja, nur wann…?
Ich habe mir immer die (böse) Frage gestellt, wann denn endlich die Volksmusik-Fans aussterben? Die müssten doch langsam mal… Oder züchten die Sender und die Volksmusik-Fans selber klammheimlich eine neue Volksmusik-Liebhaber-Front heran? Nimmt das denn nie ein Ende? *seufz* Ich fand dazu den Vorschlag des ZDF sogar einmal recht frisch und mutig, man wolle das Volksmusik-Angebot runterfahren. Doch da haben sie die Rechnung ohne das Sommerloch gemacht und ohne die Volkshetzmusik-Zeitschrift mit dem großen roten Logo…
In diesem Sinne ist die Äußerung von Matthias Kalle im Zeit-Magazin, die man ebenfalls im Bericht von Thomas Knüwer findet, sehr zutreffen. Wir machen uns unser Fernsehen lieber selber!
Kommentare (6)
Das sehe ich praktisch ohne jede Einschränkung auch so.
Ich würde verschärfend sagen, dass Musik bei den ARD und ZDF absolut tot ist – im Sinne von „nicht stattfindet“. Sieht man vom Kulturprogramm 3sat ab, wo klassische Musik einschließlich Oper sowie Jazz noch eine einigermaßen gepflegte Heimat haben.
In letzter Zeit sind offenbar sogar historische (und bisweilen wissenschaftliche) Dokumentationen schonungslos dem Verfall hin zur mundgerecht weichgepülten Soap-Darbietung preisgegeben.
Ich stelle fest, dass ich selbst immer gezielter genau und nur noch die Sendungen schaue, die mich interessieren. Meist nehme ich sie auf und schaue sie zu späteren Zeitpunkten exakt ab Start Vorspann bis kurz vor Ende Abspann, um dem lästigen Vorschau-Bombardement zu entgehen.
Bei den „Privaten“ schaue ich inzwischen nur noch ein paar US-Serien, bei RTL Formel 1 und das war es dann auch schon. Der ganze unsägliche Rest rutscht mir schlicht den Buckel runter.
musik findet man bei der ard in den dritten (leider immer sehr spät), beim zdf im theater-kanal.
nachdem sie terranova auch hingerichtet haben bleibt nur noch 3sat 🙁
Selbst wenn mal gute Serien a la Futurama oder Heroes laufen ist die Synchronisation in den meisten Fällen schlecht. Sehr schade das.
Ach ja, die Synchronisation hatte ich vergessen. Stimmt. Die kann einem den Spaß auch oft vermiesen. Es lohnt sich tatsächlich, Serien lieber im Original zu sehen. Somit können wir das deutsche Fernsehen erneut ausgeschaltet lassen.
Ich verstehe die Ermittlung der Einschaltquoten sowieso nicht. Diese popeligen 5.700 Haushalte, die da gemessen werden, können doch nicht wirklich repräsentativ für ganz Deutschland sein … Ich möchte da gerne besser, nämlich als Individuum, wahrgenommen werden und das Gefühl haben, dass es bei irgendwem ankommt, wenn ich die ganzen Schrottsendungen boykottiere und den Fernseher ausgeschaltet lasse.