Nicht meine Welt

Kind mit Mobiltelefon - (c) pixelio/ StebchenGestern hatte ich das „Vergnügen“, mich etw. 30 bis 45 Minuten mit einem Jugendlichen über ein Thema zu unterhalten, das mir normalerweise sowas vom am… Es ging um Mobiltelefonie. Jugendliche – Mobiltelefon. Sagt man das Eine, nennt man das Andere gleich mit.

Ich fühlte mich während des Gesprächs, als würde ich in einem dieser kleinen Mobiltelefon-Klitschen stehen, diesen mickrigen Läden, in denen meistens ein junger Mann mit weißem Hemd und Krawatte steht und sich langweilt. Es sei denn – das ist dann die andere Alternative – der Laden quillt über vor Kunden. Der junge Mann, mit dem ich mich gestern unterhielt „fühlte sich an“, wie einer dieser weißbehemdeten Jüngelchen. Es klang arg nach einem Verkaufsgespräch. Der Jugendliche hatte nämlich gerade bei „seinem“ Anbieter ein supergeniales Paket gebucht. Nun habe er eine Handy-Flatrate. Er könne rund um die Uhr telefonieren. Und das macht er auch!

Fragender Blick von mir. Wieso telefoniert er? Er unterhält sich doch gerade mit mir?

Da zeigte er mir sein Handy: über zwei Stunden wurden als Verbindungsdauer angezeigt. Jetzt fiel mir auch sein Knopf im Ohr auf. Aber mit wem telefoniert er denn, wollte ich wissen. Auf dem Display stand ein Mädchenname – wohl seine Freundin, die er angerufen hat. Ich fragte, ob sie denn gerade mit ihm spräche? „Nein“, war die Antwort, „die spricht immer nur zwischendurch. Wenn sie mal was zu sagen hat.“ Also hatte mein Gegenüber seit über zwei Stunden eine Standleitung zu seiner Freundin, die irgendwas am anderen Ende der Leitung machte und immer, wenn sie mal was sagen wollte, in ihr Handy brabbelte.

Große Augen auf meiner Seite. Unglaublich, dachte ich mir (und denke es immer noch). Ich sagte ihm, dass er so ja unter einer ständigen Beobachtung stünde — und plötzlich hatte ich das Wort „Datenspeicherung“ und die „Überwachung mit Kameras“ im Hinterkopf…

Das Gespräch plätscherte weiter. Er erzählte was sein Anbieter alles anböte. Unter anderem könne man wohl eine Art „Telefon-Chat“ machen. Fremde Leute, die sich via Handy miteinander schriftlich unterhalten. Ob ich mich an die große Schlägerei dort-und-dort erinnern würde? „Stand auch in der Zeitung!“ (Tatsächlich benutzte er nicht das Wort „Zeitung“, sondern einen Eigennamen aus vier Buchstaben – klingt so ähnlich wie „Blöd“…) Mein gegenüber führte weiter aus, dass sich die Leute im Chat gestritten hätten, also wurde auf dem selben Weg klar gemacht, wo man sich „zum Beulen“ trifft. Dabei ist es selbstverständlich, dass jeder noch ein paar Kumpels mitbrachte – daher war es auch eine Massenschlägerei.

Erneut: Unglaublich. Aber wie es scheint, können die Gören heutzutage wirklich nicht mehr „ohne“. Und sie haben auch (fast) alle eines dieser nervigen Viecher. Laut einer Medienwissenschaftlerin heißt es, die Kleinen würden das Mobiltelefon zur sozialen Kommunikation benutzen… Dabei muss ich an die dritte Geschichte denken, die mir mein Jugendlicher erzählte: Bei seinem Anbieter sei es auch möglich, einen Heimtarif zu buchen. So könne man z.B. innerhalb der Familie von Zimmer zu Zimmer telefonieren und die frisch gebuchte Flatrate sei auch so ein Segen… – Ich fragte ihn, warum man sich nicht lieber persönlich trifft? Warum müsse man alles übers Telefon abwickeln? Seine Antwort:

Es kann ja nicht jeder so sein, wie du.

Was immer das bedeutet. Vielleicht, dass ich geselliger bin als die Jugendlichen von heute, weil ich mich lieber mit meinen Bekannten und Freunden irgendwo treffe, anstatt sie stundenlang „in der Leitung“ zu haben, obwohl gar nicht kommuniziert wird? Dass ich noch von Person zu Person kommunizieren kann und die nicht? Ja, es geht auch ohne!

[Nachtrag: Weil es so schön passt. Wie sähe eine TV-Sendung von heute im „Steinzeitalter 1994“ (also damals in meiner Zeit) aus? So.


(Direkt-Bauer, via)
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Kommentare (2)

  1. zeniscalm schrieb:

    Meine kleine Schwester gehört ebenfalls zu der Generation Handy – wenn Sie nicht gerad an dem Ding hängt, dann wird via msn gechatted und das Haus kaum verlassen.. Bin ich froh nicht mehr soo jung zu sein.

    Sonntag, 2. Dezember 2007 um 19:29 #
  2. Roland schrieb:

    was glaubst du wie die Blagen jedesmal staunen, wenn die erfahren, daß ich gar kein Handy besitze. Die gucken mich dann immer an, als wäre ich irgendwie aussätzig oder so. Ich komme mir dann immer vor wie Opa wenn er vomm Krieg erzählt hat.
    Nicht erreichbar zu sein, muß wohl das Furchtbarste überhaupt sein.

    Dienstag, 4. Dezember 2007 um 15:10 #