Der amerikanische Sender PBS hat eine sehr interessante, knapp einstündige Reportage zum Thema „Kinder und Jugendliche im Internet“. Wir kennen alle den Aufschrei, das Internet sei böse. Ist es das wirklich?
In dem Beitrag werden Themen angesprochen wie die eigene Online-Identität. Diese hat oft nichts mit dem Leben in der realen Welt zu tun und die Jugendlichen wissen genau zu unterscheiden. Oft ist das Leben online, die Figur, die virtuell gelebt wird, sogar eine freiere Person. Die zweite Identität als Therapie für die Kinder, die in der Schule gehänselt und missachtet werden?
Ein weiteres Thema ist das Stalking, also das Verfolgen und Belästigen von Kindern im Internet. Dem schließt sich die Furcht an, die Kinder könnten „verschleppt“ und missbraucht werden. Interessant hier: die befragten Jugendlichen wissen ganz genau, was zu tun ist. Da ist jemand und fragt nach dem Wohnort? Die Person wird geblockt, bzw. einfach aus der „Freunde“-Liste gestrichen. Und tschüss.
Ebenfalls interessant — und erschreckend — ist das Thema Cyberbullying, was man wohl am besten mit virtuellem Mobbing oder Triezen übersetzen kann. Was Kinder und Jugendliche sich auf dem Pausenhof hinterher brüllen hat eine ganz andere Qualität als das, was anonym geschrieben wird. Das Geschriebene bleibt stehen, setzt sich tiefer fest. Hinzu kommt die Anonymität. Ein Jugendlicher wird einem anderen nicht so leicht ins Gesicht sagen, was er von ihm hält. In der Anonymität werden ganz andere Bandagen aufgefahren. Im Beitrag wird das Beispiel eines Jungens genannt, der online verspottet und gedemütigt wurde, bis er Selbstmord begann.
Einfach einmal reinschauen. Gruselig finde ich die eine Mutter, die übervorsichtig ist und ihre Kinder am liebste 24/7 überwachen möchte. Kein Wunder, dass sich ihr Sohn von ihr abgewendet hat…
Eine Aussage des Films: das Internet ist nicht böse. Das Internet ist aber auch nicht mehr wegzudenken, es ist ein Teil des Lebens unserer Kinder. Es ist sogar, das zeigt der Beitrag auch, teilweise ein fester Bestandteil des Schullebens – damit meine ich nicht den Pausenhof, sondern das Klassenzimmer. Lernt also damit umzugehen — damit sind sowohl die Eltern, als auch die Kinder gemeint. Eine Frau in dem Beitrag meint, man würde seinen Kindern soziale Werte wie „Danke sagen“ oder „den Plätz älteren Menschen anbieten“ beibringen. Nun muss man den Kindern auch beibringen, wie man sich im virtuellen Umfeld verhält. (Möglichst ohne gleich Panik zu machen…)
Deutsche Verhältnisse
So interessant der Beitrag auch ist, ich denke man kann ihn nicht einfach auf deutsche Verhältnisse umsetzen. Die Jugendlichen in dem Beitrag zücken nach dem Pausenklang, wie die deutschen Kinder, ebenfalls gleich ihre Mobiltelefone, aber das Online-Verhalten ist in Deutschland doch wohl noch etwas anders.
Ich weiß von Jugendlichen, die, wenn sie ins Internet gehen, hauptsächlich chatten. In dem Bericht von PBS wird gezeigt, dass die amerikanischen Jugendlichen sich sehr viel auf MySpace und Facebook herumtreiben. Hier wird viel Selbstdarstellung betrieben, Videos reingestellt und gechattet. Die Jugendlichen, die ich kenne, machen sowas nicht. Videoaufnahme? Das gar ins Netz stellen? Können die gar nicht. Und bei StudiVZ, dem deutschen Plagiat von Facebook, müssten man ja schreiben. So richtig. Nicht das „Schnellschnell“ eines Chat-Geplänkels, sondern eine annähernd richtige Rechtschreibung benutzen. Uuuhh, da wird es schon kompliziert für die deutschen Jugendlichen. Das sage ich nicht aus meinem üblichen Zynismus heraus, sondern aus Erfahrung (zugegeben, mein Kontakt zu Jugendlichen beschränkt sich eher auf das „nicht ganz hohe“ Bildungsniveau…).
Dennoch bleibt die Essenz des Beitrags auch für deutsche Kinder, Jugendliche und ihre Eltern bestehen: lernt den richtigen Umgang mit dem Internet, dann passiert auch sehr wenig. Im Beitrag meinte eine Frau noch: Wenn tatsächlich ein Kind einem Stalker, einem bösen Menschen aufgesessen ist, dann nicht aus Unwissen- oder Unbedarftheit, sondern weil das Kind von vornherein den Kontakt zu einer realen Person gesucht hat…