Schul-Gerüchte

Heute unterhielt ich mich mit einem Lehrer. Der gute Mann erzählte, dass seine Schule Besuch bekommen hätte von einer Dame aus der Schulbehörde. Diese Dame plauderte ein wenig aus dem Nähkästchen — mit dem Hinweis, dass das alles nicht in trockenen Tüchern sei, man auf den Fluren aber dies und das flüstere.

Vorweg: Da es in Hamburg noch keine Regierung gibt, ruht derzeit alles, so die Behördendame. Es werden keine Planungen vorgenommen, nichts wird gebaut, repariert oder kommt in irgendeiner anderen Weise voran. Die Schulbehörde scheint im Moment ein Fisch auf dem Wasser zu sein.

Weiter informierte die Dame die zuhörenden Lehrer, wie die gemunkelten Zukunftspläne für eine Schule unter einem schwarz-grünen Senat aussehen könnten. Bekanntlich sind in den Koalitionverhandlungen zwischen CDU und GAL die Elbvertiefung, das vom Beust-Senat geplante Steinkohlekraftwerk Moorburg und auch die Schulpolitik die großen Knackpunkte. Elbvertiefung und Moorburg waren in den ersten Gesprächen zu große Hindernisse, weswegen man sich auf nach Ostern vertagte. Auch in der zweiten Runde wurden sich Schwarz und Grün nicht grün. Bleibt die Frage, wie sehr die GAL in diesen Punkten in die Knie gehen wird — denn die CDU wird vermutlich, in alter Manier, keinen Millimeter von ihrer Meinung abweichen.

Bleibt noch die Schulpolitik. Die Grünen wollen „9 macht klug“ – also eine gemeinsame Schulausbildung von der 1. bis zur 9. Klasse. Die CDU will ihre seltsame Stadtteilschule haben, die die Schüler ab der 5. Klasse klar in die Guten und die Dummen einstufen will. Nun meinte die gute Behördendame, dass im Falle Schwarz-Grün ein Mix aus beidem entstehen könnte. Die Grundschule sollte dann von der 1. bis zur 6. Klasse reichen. Klingt erst einmal nicht spektakulär, allerdings steckt doch noch einiges an Sprengstoff hinter diesem „7 macht klug“ (Vorschule, 1. bis 6. Klasse).

So wären z.B. die Gymnasien, der CDU liebste Kinder (Wir erinnern uns: Laut CDU wollte die SPD angeblich die Gymnasien zerschlagen — die Grünen ebenso…), mit diesem Model ziemlich gekniffen. Plötzlich würden die Stufen wegfallen, die bisher immer am meisten Schüler fassten. Ich erinnere mich an meine Schule, wir fuhren sechs-gleisig. Sechs Klassen mit im Schnitt 25 Schülern macht ungefähr 150 Schüler. 150 Schüler, die der Schule fehlen würden. Auf einmal so. Mein Laien-Hirn ratterte bei dem gehörten in Richtung „Na und? Sollen sie doch froh sein, wenn sie weniger Schüler haben…“ – Falsch gerattert. Wie ich erfuhr, werden Schulen gemäß ihrer Schülerzahl mit Lehrern bestückt. Fehlen Schüler, müssen Lehrer gehen, bzw. kommen keine neuen hinzu. Nun ist es an Gymnasien so, dass gerne über diesen Mechanismus Stundenzahlen für die Oberstufe „aufgespart“ werden. Nur so ist es dann möglich, auch z.B. einen Latein-Leistungskurs mit nur sieben Schülern zu gestalten. In diesem Fall: Fünfte und sechste Klasse weg = Schüler weg = Lehrer weg = Leistungskurse weg.

Und wie schaut es auf der „anderen Seite“ aus? Was passiert mit den Grundschulen? Tja, die bekämen mit einem Schwung ganz viele neue Schüler hinzu. Nur: Wohin mit denen? Erster Knackpunkt hier sind die Räumlichkeiten. Eine kleine, schnuckelige Grundschule mit je zwei Klassen pro Stufe könnte plötzlich zu viele Schüler haben, für die die Räume nicht da wären. Was soll man machen? Anbauen? Wohin? Wie wäre es mit dem Planieren der Pausenhöfe? Da könnten Klassenzimmer hin und die Pausen könnten dann wie in der HafenCity-Grundschule auf dem Dach verbracht werden…

Eine andere Möglichkeit wäre die, dass man die Kinder der Stufen 5 und 6 in die „frei gewordenen“ Räume an den Gymnasien schickte. Nur wäre dann der ganze Sinn ad absurdum geführt. Zumal die einen oder anderen Eltern sich selbstverständlich sagen würden: „Wo schicke ich mein Kind auf die Grundschule? Doch an so eine, wo es eh später aufs Gelände eines Gymnasiums gehen wird. Das bliebe dann ‚in der Familie‘ und mein Kind könnte gleich von dort aufs besagte Gymnasium gehen.“ Voilà, die Zweiklassen-Schule ist perfekt. Ach ne, das nennt die CDU ja Zwei-Säulen-Model…

Andere Frage: Wenn es weniger Bedarf für Gymnasiallehrer gibt, wo sollen diese dann hin? An die Grundschulen können sie nicht. Es gibt in Hamburg das Studium zum GruMi (Grund- und Mittelstufe) und zum LOA (Lehramt Oberstufe, Allgemeinbildende Schulen). Ein LOA, der plötzlich keine Unterstufe mehr unterrichten kann, kann aber auch nicht an die Grundschule gehen. Und was dann?

Da kommen also einige Fragen auf, wenn man sich dieses geflüsterte Szenario einer schwarz-grünen Kompromiss-Schulpolitik anschaut. Schließlich meinte die Behördendame noch so nett zu den verstummten und verblüfft dreinschauenden Lehrern:

Das ist denen [den Politikern; MFS] scheiß-egal…

Sprich: Wissen tun sie es, aber wenn man Kompromisse eingehen muss, dann macht man sie eben. Egal, was dies für Konsequenzen haben könnte…

Kommentar (1)

  1. Boris schrieb:

    „ein Fisch auf dem Wasser“
    🙂

    So, wie es klassische Versprecher (aber keine Freudschen!) gibt, gibt es sie oft auch als Verschreiber.

    (Jaja, diese alten Klugscheißer mir ihren ehemaligen dreizehn Schuljahren — und noch einem heute für deren Einkommensschicht gar nicht mehr erlaubten Studium hinterher …)

    Sonntag, 30. März 2008 um 09:19 #