Irgendwann, vor vielen Jahren, setzte sich ein unbekannter Schriftsteller hin und dachte sich eine wilde Zukunftsversion aus. Zu der Zeit war die Technik noch nicht so weit voran geschritten, wie sie es heute ist. Also wurden die schlimmsten Horrorvisionen ersonnen.
Unser Schreiberling schrieb eine Geschichte, in der das Öl knapp wurde, weil die Menschen zu unachtsam damit umgegangen sind. Er dachte sich, dass die Leute in der Zukunft alle einen fliegenden Untersatz haben und diese wie verrückt das Öl schluckten, das aus weit entfernten Ländern antransportiert wurde. Also würden die Menschen irgendwann in der fernen Zukunft alternative Energiequellen finden müssen. Dieses Wort war schon reine SciFi – auch wenn unser Schreiber diesen Begriff der „SciFi“ noch gar nicht kannte. Aber was für ein verrücktes Wort: „alternative Energiequellen“.
Kraftstoff aus Pflanzen klang toll. Das würde das Energieproblem lösen, dachte sich unser Federkeilschwinger. Die Zukunftsmenschen würden bestimmt riesige Plantagen von Pflanzen haben, aus denen man den Rohstoff für einen Öl-Ersatz extrahieren könnte. Die Welt wäre ein blühender Garten.
Nun hatte unser Autor jedoch damals einen schlechten Tag gehabt und so nahm die Geschichte einen anderen Verlauf. Die Menschen, in ihrer Gier nach Luxus, Prestige und mit einem monströsen Fortbewegungsdrang versehen, brauchten immer mehr Plantagen. Also wurden Wälder überall auf der Welt gerodet, Plantagen angelegt und schon konnten die Menschen weiterfliegen in ihren Flugmobilen. Doch auch das reichte nicht. Es wurden immer mehr bereits bestehende Plantagen umfunktioniert. Felder auf denen zuvor Reis, Getreide, Mais und andere Nahrungsmittel wuchsen, wurden nun mit den Öl-Ersatz-Pflanzen bebaut. Das führte, so der Schriftsteller, zu Nahrungsmittelknappheit. Diese führte wiederum zu Hunger. Betroffen waren selbstverständlich erst die armen Länder. Mit Armen kann man schließlich alles machen. Hauptsache die, die sich ein Flugmobil leisten konnten, hatten genug Energie. Abgesehen davon konnten sich die Flugmobil-Menschen auch noch das Essen, das auf immer weniger Fläche angebaut wurde, leisten. Nebenbei wurde die Luft auf der Erde immer schlechter, weil die Wälder fehlten, die Sauerstoff produzierten.
Der Autor der Zunkuftsgeschichte hatte einen extrem miesen Tag, also sponn er seine Geschichte noch weiter, trieb sie in dunklere Gefilde voran. Die Armen, die nichts zu essen hatten, die sich die immer teurer gewordenen Nahrungsmittel einfach nicht mehr leisten konnten, wurden aufrührerisch. Sie begehrten auf. Das Einzige, das gefährlicher ist als ein Mensch der hungert, ist eine ganze Meute, die nichts zwischen die Zähne bekommt. Als diese dann auch noch sahen, dass sie darben mussten, weil einige Reiche ihren Luxus genießen wollten und zu faul waren umzudenken — da brach die volle Wut der Ausgebeuteten heraus. Erst gegen die eigene Regierung. Was für die Flugmobil-Menschen in den entfernten Ländern völlig egal war.
Doch irgendwann suchte sich das Feuer der Wut und Verzweiflung seinen Weg über die Ländergrenzen, später sogar über die Kontinente hinweg. Die Welt versank in Chaos.
In diesem Moment klopfte ein guter Freund mit einer Einladung zu einem Ball an die Tür. Die Aussicht auf einen Abend in angenehmer Frauenbegleitung ließ sein Herz wieder fröhlicher schlagen. Der Schriftsteller legte seine Feder zur Seite, schaute noch einmal auf das Geschriebene und warf die Geschichte in den Papierkorb. So eine Zukunftsversion wäre zu verrückt, dachte er sich. Das würde ihm nie jemand abkaufen. Völlig unglaubwürdig…
Kommentar (1)
Schöne Geschichte. Aber die Menschen in den rohstoffarmen reichen Ländern unter der Führung ihrer Regierungen IWF und Weltbank handeln ja vernünftig und nachhaltig.
Deswegen kann so etwas gar nicht passieren.
Gab’s da nicht noch verschiedene fantasievolle, aber ebenfalls unrealistische Zukunftsgeschichten, in denen wohlhabende Gesellschaften in kleinen, parkähnlich gepflegten Enklaven leben, von hohen Mauern und privaten Sicherheitspolizeien gegen die Unbill aus den verödeten Regionen mit den darin marodierenden verarmten wilden Horden geschützt?