Ganz harte Jungs

In der Ausgabe 19 der ZEIT ist ein netter Beitrag zum Thema Gewalt und Hip-Hop. Es wird die Frage angerissen, ob Rap-Musik gewalttätig macht. So genau kann das wohl keiner sagen, was schon daran scheitert, dass Wissenschaftler keine aussagekräftigen Unterhaltungen mit den betroffenen Jugendlichen hinbekommen. Was nicht nur damit zusammenhängt, dass der Befrager durch seine Anwesenheit schon das Ergebnis verfälscht, sondern auch, weil es schlicht ein zu komplexes Thema ist, das nicht nur einspurig bearbeitet werden kann.

Mein Musikgeschmack ist der in dem Artikel beschriebene Rap nicht: Gangsta Rap. Also wildes Rumgepöbele, Beschimpfen, Dissen, Drohen, Hassen. Da werden ganz böse Dinge sexueller Natur mit den Müttern und Schwestern irgendwelcher Hassgruppen gemacht. Abgestochen, in die Luft gesprengt, wieder etwas mit F, oben, unten. Zugetreten, erschossen, abgefackelt und noch einmal, weil’s so schön war, das mit dem F…

In dem Artikel wird erzählt, wie sich dieses Musik-Genre mittlerweile auf die Ausübenden auswirkt. Schüsse auf Rapper kennen wir aus den Staaten. Ob sie echt sind oder nicht, weiß man nie. Kann auch nur ein PR-Gag sein. Hass-eMails, Einladungen zu Schlägereien, Steinwürfe auf den Rapper — das ist dann doch Realität. Wobei ich nicht weiß, ob es die eigenen Fans sind, die mobil gegen ihr Idol machen, oder ob es Fans anderer Rapper sind. Denn: Jeder ist natürlich der Härteste, sozial Heruntergekommenste, mieseste Typ. Die Anderen sind alle scheiße und werden gehasst. So ein fliegender Stein auf die Bühne kann also auch von einem „Hater“, einem Fan von der Konkurrenz stammen.

Aber: Die sind ja alle gar nicht so wild, gemein und hart. Die wollen doch alle nur spielen – die Rapper. Das erklärt einem auch gerne der Anwalt bei der Anhörung vor der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Selbstredend wird nicht zur Gewalt aufgerufen, auch wenn es heißt „Ich fick dich“, „Ich bring dich um“, „Ich fackel alle Penner ab“. Man möge es als Kritik an der Gewalt verstehen, wird man beschwichtigt. Künstlerische Freiheit.

Diese geht dahin, dass ein ostdeutscher Rapper mit Glatze und Bomberjacke auch gerne von seinem eigenen Plattenlabel viel lieber in die Nazi-Ecke gestellt wird, weil es sich besser verkaufe. Egal, dass er der rechten Gesinnung nicht angehört. Soviel zum Thema „Freiheit“. Es würde mehr Geld in die Kassen fließen lassen, also formen wir uns unseren Nischen-Beschicker.

Ziemlich am Ende meint der gefrustete Anwalt, der erfahren muss, dass einige Lieder seiner Klienten indiziert wurden:

Ich würde mir wirklich wünschen, dass hier auch mal Vertreter der Zielgruppe sitzen.

Das wünscht er sich, weil im Gremium nur alte Mitt-50er hocken, die ganz weit fern sind von dem, was Jugendliche hören wollen (resp. zu hören haben!). Auch wenn es in dem Artikel heißt, dass mittlerweile nicht nur Hauptschüler, sondern auch „Gymnasiumsleute und Studenten“ diese Musik hören — Vertreter der Zielgruppe in der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien? Keine so gute Idee. Das sage ich, weil ich Jugendliche kenne, die diesen Gangsta Rap hören. Die finden es toll, dass Gewalt besungen wird. Nur verstehen sie es nicht als Kritik, sondern als eine Idee. Eine Idee, wie man mit all den Idioten, die einen nerven umgehen kann. Gewalt ist für diese Jungs ein ganz alltägliches Mittel der Kommunikation und eine Ausdrucksweise. Wenn dann einer ihrer Lieblings-Rapper anfängt von Gewalt zu singen: Prächtig. Der Sing. von dem, was wir eh schon immer gemacht haben. Nur noch eine Gangart härter. Warum auch nicht?

Da lobe ich mir die staubtrockenen Herrschaften von der Bundesprüfstelle, dass die doch noch bei dem einen oder anderen Lied den Finger drauf halten und Nein sagen.

Wie oben schon erwähnt: Zumindest ein Teil der Hörerschaft ist an Gewalt gewöhnt. Sie ist ein Teil ihres Lebens. Sich kritisch damit auseinanderzusetzen ist keine Option. Somit wird der schlagende Beat, der vom Prügeln und Abstechen handelt, auch nicht als Kritik verstanden. Das scheinen die Jungs am Mikro und hinter dem Mischpult ebenfalls zu wissen und entziehen sich prophylaktisch einer Verantwortung. Nein, sie wollen kein Verantwortung übernehmen:

Wir haben hier keine Verantwortung. Wir haben keine, null.

Ein interessantes Thema. Übrigens (nur weil ich auch da einen Einblick habe): Wer ebenfalls gerne angeklagt wird, die Jugend zu Gewalttätigkeiten zu verleiten, das sind die Metaller. Nun… — Ich kenne nur echt nette, ruhige Metall-Fans. Gerade diese Musikrichtung, so meine Erfahrung, beruhigt. Da wird während der Musik rumgesprungen, rumgefuchtelt und eventuell geschrien. Ist die Musik aus, haben sich die Metaller genügen. abreagiert. Danach ist Ruhe angesagt. Wir wissen: Metall ist nichts für Dumme. Beim Gangsta Rap bin ich mir da nicht so sicher…