Eins und Eins sind – größer Eins

Man muss vermutlich „direkt im Geschehen“ sein, um zu verstehen, wieso die Schüler heutzutage so viele Vergleichsarbeiten machen müssen. Da gibt es z.B. die VERA oder den jüngsten Mathe-Vergleichstest an zehnten Klassen der Gymnasialstufe.

Der letztgenannte ist hier in Hamburg desaströs ausgefallen. Schon sind sie alle am überlegen, woran das gelegen haben könnte und korrigieren die Noten nach oben.

Wie gesagt: Man muss wohl direkt von der Thematik betroffen sein, um das alles zu verstehen. Also habe ich einen (Mathe-)Lehrer gefragt, was das mit den vielen Tests soll. Seine Antwort darauf fiel sinngemäß so aus:

Durch das viele Wiegen werden Schweine auch nicht fetter.

Was mir sagen soll, dass er als Lehrer diese Tests auch nicht so ganz sinnvoll findet. Auf meine Frage, woran denn das miese Abschneiden der Schüler beim jüngsten Mathe-Test gelegen haben könnte, antwortete er, dass sehr viel an der Fragestellung gelegen hat. Wie es scheint, waren die gestellten Aufgaben sehr textlastig. Was an sich nicht so schlimm wäre, wenn… Ja wenn die Schüler denn besser lesen könnten! Er meinte, dass schlicht und ergreifend die Deutschkenntnisse zu schlecht sind. Also erst einmal den Deutsch-Unterricht aufpäppeln, dann kann man auch bessere Ergebnisse in Math. erwarten. Kein so unbekanntes Problem.

Schulsenatorin Christa Goetsch ist der Meinung, das Problem läge nur auf mathematischer Seite:

Es fehlt den Schülern zum Teil an Basiswissen.

Wie gesagt: Fehlendes Basiswissen okay, aber welches Fach?

Abgesehen von nicht verstandenen Mathe-Aufgaben sind mangelnde Deutschkenntnisse, also die nicht vorhandene Fähigkeit, sich richtig zu artikulieren und sich mit seinem Gegenüber vernünftig zu unterhalten, oft ein Grund für Frustrationen. Aus diesen werden schnell Aggressionen.

Dabei muss man sich fragen, warum sich die Leute dann so aufregen? Schließlich war es doch der allein regierende CDU-Senat, der seinerzeit die Sprachförderung um 30 Prozent gekürzt hat. Also: Sprachförderung kürzen -> schlechte Deutschkenntnisse -> schlechtes Abschneiden bei Mathe-Test. So einfach ist das.

Der Nachhilfe-Lehrer

Es sei erwähnt, dass der befragte Lehrer kein Gymnasiallehrer ist. Die mangelnden Deutschkenntnisse sind ihm in einer Realschule aufgefallen. Also habe ich noch einen Nachhilfe-Lehrer gefragt, ob er in seiner Mathe-Nachhilfe auch das Problem der mangelnden Deutschkenntnisse erlebt habe. Seine Schüler kommen alle hauptsächlich aus Gymnasien und aus Haushalten, die finanziell besser gestellt sind. Sonst könnten sich die Eltern auch keine Nachhilfe leisten.

Nein, dass seine Schüler schlecht lesen könnten, das habe er nicht beobachten können, so der Nachhilfe-Lehrer. Was ihm jedoch auffiel ist, dass seine Schüler oft lustlos sind. Die haben einfach keine Lust und keinen Ehrgeiz mehr. Bessere Noten? Wozu? Abgesehen davon sind sie mit ihren Gedanken ständig irgendwo anders. Viele seiner Schützlinge treiben Sport. Ob sie viel mit dem Computer daddeln würden, war meine Frage. Nein, soweit er wüsste nicht. Tatsächlich viel Sport, Fitnesstraining und Sauftouren. Am Freitag habe er einen Jugendlichen gehabt, der wohl extrem fertig aussah. Kurze Nachfrage ergab, dass er bis morgens um 5:30h in der Disko war, von dort nachhause, kurz geduscht, dann Schule und danach zur Nachhilfe.

Unterm Strich

Ohne eine Erhebung gemacht zu haben, lassen sich allerdings zwei Dinge feststellen: In Haupt- und Realschulen fehlt es schlicht an der Fähigkeit zu lesen. Wer nicht lesen kann, kann auch keine Textaufgaben lesen. Auf der anderen Seite sind die Gymnasiasten, die neben einer akuten Lustlosigkeit zwar keine Lese-, aber doch Verständnisschwierigkeiten haben. Die Texte sind lang und dank mangelnder Motivation knien sie sich nicht richtig hinein, was dazu führt, dass sie zwar die Worte verstehen, aber nicht den Sinn. Was nebenbei erwähnt auch die Freude am Känguru massiv schmälern kann…

Übrigens könnte ein Grund für das schlechte Abschneiden bei den Gymnasiasten auch sein, dass sie mehr Stoff bewältigen müssen. Wenn einem die 13. Stufe einfach weggenommen wird, man aber das Wissen von 13 Jahren zur Abitursreife benötigt, muss der Stoff entsprechend auf die Stufen 10 bis 12 verteilt werden. Das mag (mit Blick auf ihre vielen Freizeitaktivitäten — die man ihnen auch nicht nehmen sollte) die Schüler überfordern. Vielleicht auch ein Grund, warum sie unmotiviert und lustlos sind.

Kommentar (1)

  1. Christian schrieb:

    Ich denke vielerlei Faktoren spielen eine wichtige Rolle und im Grunde hast Du sie alle genannt.

    Kurze Ergänzungen. Fehlende bzw. fehlerhafte Lesekompetenz lässt sich auch am Gymnasium beobachten (Es kommt dann auch auf den Stadtteil an, leider).

    Abitur nach 12 Jahren bedeutet ja auch nachmittags längeren Unterricht. Das wiederum bedeutet mehr Unterricht in einer physiologisch ungünstigen Zeit (Wer will schon mitten im Mittagstief nach 6 Stunden Schule noch Math. pauken?).

    Sonntag, 15. Juni 2008 um 23:01 #