Bei manchen Beiträgen muss man vorsichtig sein. Manch Zeitgenosse reagiert äußerst empfindlich und so muss man aufpassen, dass man nicht gesteinigt wird. Oder: thematisch und an die Stadt gebunden – Kiel holen geschickt wird.
Vier Tage lang fanden die Cruise Days in Hamburg statt, also die Kreuzfahrt-Tage. Das klingt aber natürlich zu altbacken und deutsch, nicht international genug für eine Ansammlung von Tagen, an denen dicke Pötte in einer Stadt einlaufen. Mehr war das auch nicht. Luxus-Liner fuhren in den Hamburger Hafen ein, die Stadt verwendete Steuergelder um den Hafen mit blauem Licht auszustatten, Tausende standen an der Hafenkante und haben geguckt, haben gewunken. Dann sind sie wieder weggefahren, die Luxusschiffe und haben dabei am Sonnabend mich eine Stunde lang mit ihrem Tuuuuuut, Tuut, Tuuuuuuuuuuut genervt. Am Sonntag gab es auch noch einmal eine gute halbe Stunde Dauergetute und anschließend verirrtes Getute von kleineren Schiffen.
Die Euphorie um dicke Pötte kann ich nicht nachvollziehen. Da reisen Leute von überall an, um ein großes Schiff zu sehen. Das ist noch nicht einmal Kunst. Ich bin „damals“ nach Berlin gefahren, um mir den verhüllten Reichstag anzuschauen. Aber das war Kunst, Luxus-Schiffe sind Gebrauchtgegenstände, die eben nur groß sind. Wobei selbst die Hamburg Marketing zugibt, dass es nur um die Bilder gehe. Einen Wert hat das an sich alles nicht. Es sollen nur bunte Bilder nach außen transportiert werden, damit die Welt von Hamburg Notiz nimmt. Die mittlerweile in Hamburg so typische Linie wurde gefahren: Hauptsache Schein, wenn schon kein Sein.
Eine Menge der Faszination ist, so denke ich einmal, gemacht. Hamburg als die Kreuzfahrt-Hauptstadt zu feiern ist nämlich etwas falsch. Kiel (125 Schiffe in diesem Jahr), Rostock (118) und Bremerhaven (101) schlagen Hamburg um Längen (63), aber die geben sich hanseatischer, bescheidener, geben nicht soviel Geld aus – das sie nicht haben. Oder die haben einfach nicht solche Sponsoren im Hintergrund, wie sie Hamburg hat – so die Hamburg Marketing. Sind das eigentlich die selben Geldgeber, die sich z.B. in der Elbdisharmonie verewigt haben?
Also unterm Strich: Die Crusie Days sind eine künstlich gemachte Hofierung von dicken Schiffen, auf denen Leute mitfahren, die Geld haben, während am Hafenrand Tausende stehen und diesen Reichen zuwinken. Die Besserverdiener freut’s, werden sie doch vom kleinen Volk bejubelt. Ein Berliner Urlauber, der sich selber scherzend als Mann sieht, der sich „in geregelter Armut“ befindet, meint deshalb auch in diesem Deutschlandradio-Podcast (1,4 MB), er sei in Hamburg weil er:
… diesen anderen Glanz doch ganz gerne mal, einmal im Leben kennengelernt haben möchte.
Nur wird er den Luxus nicht kennen lernen, er wird ihn nur an sich vorbeifahren sehen. Wie sein ganzes Leben lang. Dabei tröten die Schiffe ihm dann noch die Ohren voll.
So ganz nebenbei frage ich mich auch noch, was mit den 20.000 Knicklichtern passiert ist? Die wurden umsonst verteilt, die Hafenkanten-Statisten durften sie dann im Dunkeln knicken und den Gutbetuchten damit zuwinken. Und dann? Ab in die Umwelt damit? Nicht gut…
Es geht eben nur um den Schein und die Bilder nach außen… 🙁
Kommentare (3)
Als Hamburger mag man das Faszinosum „Dicke Pötte“ nicht nachvollziehen können. Aber als Binnenfluss-Flachländer kann ich den Reiz schon verstehen, solche Schiffe einmal aus der Nähe zu sehen.
Genau so mag es einem Hamburger gehen, der bei einem Frankfurt-Besuch mal sehen will, was es heißt, wenn viele große Flugzeuge in nahezu unmittelbarer und unaufhörlicher Folge auf einem ziemlich großen (nun, deutschen) Flughafen landen.
Das Ganze wird für mich erst dann skurril, wenn sogenannte Schiffs-Spotter (oder Flugzeug-, Eisenbahn- you name it…) mit Knipse und Aktenmaterial eifrig dokumentierend förmlich beamtenhaft-pedantisch den Objekten ihrer Begierde hinterherreisen.
Ich muss Dir absolut zustimmen. Diese Veranstaltung war in ihrer Substanzlosigkeit unfassbar peinlich. Neben dem Getute gab es auch noch jede Menge Schiffsabgase, die in die Luft geblasen wurden und die Sicht vernebelt haben. Und das alles nur, um bunte Bildchen für alle Nicht-Hamburger zu produzieren! Was mich persönlich am meisten nervte waren die beiden Hubschrauber, die am Samstagabend über dem Hafen herumknatterten und das Zuhören bei der Vorstellung des Hamburger Jedermann zur Qual machten. Als dann noch das Feuerwerk einsetzte musste die Aufführung für etw. 10 Minuten ganz abgebrochen werden, weil niemand gegen diesen Lärm anschreien konnte. Da prallten wahrhaft zwei Welten aufeinander.
Schon für den Begriff „Cruise Days“ wird nach der Revolution irgendwer sterben müßen. Und warum es feierwürdig scheint, daß ein Schiff in den Hafen einläuft, will und will mir nicht so recht aufgehen. War das nicht genau die Funktion von Häfen?