Nach dem ArtCamp bin ich im Grindelhof an den Unterschriftensammlern von Eine Schule für Alle vorbeigefahren. Genau die, die ich gesucht hatte. Die Dame, die für das Volksbegehren Unterschriften sammelte, war – was vermutlich nicht ungewöhnlich ist –, eine Lehrerin. Nachdem ich meine drei Kreuze gemacht hatte, kamen wir noch ein wenig ins Gespräch.
Zunächst gab es ein paar organisatorische Fragen von meiner Seite zu beantworten: In drei Wochen, bis zum 9. Oktober, müssen 61.000 Stimmen gesammelt werden. Wie denn die Aussichten seien wollte ich wissen. Nicht schlecht, so die Lehrerin. Es gäbe jedoch Widerstand. Viele Gymnasiallehrer wären unter den Ablehnern der Schule für Alle.
Die Schule für Alle, so vermutete ich und so wurde es auch bestätigt, ist sowas wie eine Gesamtschule. „Nur besser“, meinte mein Gegenüber. Die Betreuung der Schüler solle intensiver sein. Das würde aber auch kleinere Klassen und somit mehr Lehrer bedeuten, vermutete ich. Dem sei so, bestätigte die Unterschriftensammlerin. Außerdem müsse die Ausbildung der Lehrer, die, das weiß ich, in Hamburg grottig ist, verbessert werden.
Warum sind dann so viele Gymnasiallehrer gegen eine Schule für Alle? Nun, ein Lehrer für die Oberstufe Allgemeinbildende Schulen „genießt“ in Hamburg, wie wohl auch in anderen Bundesländern, eine etwas intensivere Ausbildung in seinen Fächern, bekommt mehr Geld als ein „Grumi“ (Grund- und Mittelstufenlehrer) und hat „pflegeleichtere Schüler, die ihm gehorsam an den Lippen hängen“, so meine Gesprächspartnerin. Stimmt. Die lieben, braven, fleißigen Gymnasialschüler… Wenn man sich auf solche Musterschüler eingeschossen hat, dann ist es natürlich ziemlich blöde, wenn man auf einmal langsame, störende Schützlinge vor sich hat und sich auch noch um die kümmern muss, denn das ist einer der Grundgedanken bei der Schule für Alle: jedem die Chance geben eine gute Ausbildung zu bekommen. Dann geht es nicht mehr, die „schlechten Schüler“ einfach bequem abzuschieben abzustufen.
Vorbei mit dem leichten Leben. Auch müssten die Lehrer selber wieder die Schulbank drücken, weil die neuen Anforderungen neues Wissen verlangten. Das wäre ganz unangenehm. Fortbildungen. Ein Graus.
Weiter meinte die Dame, dass ein gerne verwendetes „Gegenargument“ zur Schule für Alle sei, wenn Menschen kämen und meinten, eine solche Schulform würde a.) doch nur die Qualität mindern und dadurch b.) den privaten Schulen Vorschub leisten.
Na, bei solchen Argumenten werde ich doch gleich stutzig. Mehr private Schulen? Das kann sich nicht jeder leisten! Somit würde, wenn denn die Privaten wirklich eine bessere Ausbildung garantieren würden, die soziale Schere mal wieder ein Stück weiter geöffnet werden. Aber das sind wir schon jetzt gewohnt: Wer in einem wohlhabenden Stadtteil wohnt, hat auch eher die Chance einen Abschluss zu machen. „Kein Geld, keine Bildung“ muss man daraus schließen. Von daher wäre eine Schule, auf der alle die gleichen Chancen haben, sehr wünschenswert.
Zumal, liebe Kritiker, es ja nicht so ist, dass alle Schüler mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten in eine Klasse gesteckt und sich dann die guten Schüler langweilen würden. Betrachtet man sich eine Gesamtschule, gibt es das Kurssystem: Ist ein Schüler in einem Fach nicht so gut (z.B. der Klassiker Mathematik), dann lernt er in einem „schwächeren“ Kurs – hat aber dennoch die Möglichkeit, sich hochzuarbeiten und doch noch in einen leistungsstärkeren Kurs zu gelangen. Wenn er oder sie bereit dazu ist. Einfach mal die Damen und Herren an den Unterschriftensammelstellen fragen, wie sich die Schule in Hamburg verändern würde. Und dann die Unterschrift leisten.
Übrigens: das vom schwarz-grünen Senat befürwortete Schulmodell der Primarschule ist nicht der Weisheit letzter Schluss:
Es wird einen Ansturm auf die Primarschulen geben, die – in welcher Form auch immer – mit Gymnasien zusammenarbeiten. Hier wird sich zeigen, dass der gute Gedanke des längeren gemeinsamen Lernens durch die aktuelle Schulpolitik nicht gefördert, sondern unterlaufen wird.
Dies sagte SPD-Schulexperte Ties Rabe und bestätigt damit nur meine Vermutung. In dem Fall würde übrigens die Qualität auf den Gymnasien auch nicht unbedingt steigen, denn nicht jeder Schüler auf einem Gymnasium gehört auch dort hin …
Kommentare (2)
Bisher überzeugt bei mir leider kein vorhandenes oder geplantes Schulsystem, wie man lern unwillige Schüler zum Lernern bewegen will.
Aber anscheinend muss jede Schülergeneration irgendeine Reform über sich ergehen lassen. Ich hab Kurzschuljahre und Mengenlehre mit erlebt. Allmählich habe ich den Eindruck jede neue Reform ist noch beschissener wie die letzte.
Ich finde ein Diskussionsforum sehr gut. Ich finde es total daneben, anonyme Kommentare zu schreiben undmindestens genaus o daneben, sie zu
veröffentlichen.
Elke Andresen