Die Energieeffizienz, der Backstein und das Gesamtbild

Erst kürzlich wurde ich gefragt, wie lange wir denn noch Erdöl hätten. Tja, so genau kann ich das natürlich nicht sagen, aber eine Erdölknappheit ist nichts, was erst kommende Generationen in weiter Zukunft betreffen wird. Das Ende kommt schnell! (Warum man dann immer noch SUVs überhaupt im Angebot hat, bzw. so dumm ist und sowas fährt — ein ewiges Rätsel …) Umso wichtiger ist es also, Energie zu sparen. Und wenn es der unmündige Bürger nicht gebacken bekommt, darf auch schon mal „von oben“ diktiert werden. Das Auto, des Deutschen liebstes Kind, darf selbstredend nicht angegriffen werden – das weiß auch Frau Merkel – , aber beim Häusle, da kann man als Politiker getrost Vorschriften machen.

Es gibt die Energieeinsparverordnung (EnEV), die regeln soll, wie Häuser und Gebäude am umweltfreundlichsten gebaut oder umgebaut werden sollen. Diese Verordnung gibt es schon ein paar Jahre und sie wurde regelmäßig nachgebessert. Die EnEV 2009 besagt z.B.:

Bis 2009 sollen die energetischen Anforderungen im Gebäudebereich um 30 Prozent verschärft werden und bis 2012 sollen sogar weitere 30 Prozent folgen.

Die Anforderungen an die Energieeffizienz im Neubau und Bestand sollen um 30 Prozent verschärft werden. Das macht man beim Neubau durch geeignete Maßnahmen wie Isolierungen, so dass das Gebäude nicht den Großteil der Wärme einfach abgibt. Beim Altbau müsste eine Energetische Sanierung her, also eine Ertüchtigung der thermischen Hülle eines Gebäudes zur Minimierung des Heizenergiebedarfs gemäß den Bestimmungen der Energieeinsparverordnung.

Finde ich gut! Energie sparen ist unbedingt notwendig. Es gibt nur einen klitzekleinen Haken: Gerade in Hamburg haben wir (noch) einen schönen Architektur-Mix aus alten Backsteinbauten, gerne im Bauhausstil, Neoklassizismus und Jugendstil. Wenn die Gebäude nun alle mit Dämmwolle zugedeckt werden — wo bleibt die schöne Architektur, wenn nicht auf der Strecke?

Verblendung im Backsteindekor

In letzter Zeit findet man in Ottensen immer mehr Häuser hinter Gerüsten versteckt. Jetzt geht’s los. Die Vermieter sanieren ihre alten, teilweise noch von vor dem zweiten Weltkrieg stammenden Bauten. Was passiert mit den teilweise schönen Fassaden? (Ich wohne in einem superlangweiligem Klotz – macht doch damit, was ihr wollt.) Gerade „damals“, als man sich noch ein wenig Gedanken gemacht hat, wie man ein Haus ein bisschen verschönern kann, wurde „Bewegung“ in die Hausaussenhäute gebracht. Mal eine Steinreihe etwas nach außen versetzt, oder ein Relief aufgebracht, unterschiedlich farbige Steine wurden benutzt oder aufwändige Verzierungen realisiert. Soll das alles unter einer Dämmhülle verschwinden?

Im Hohenzollernring sind sie schon seit einiger Zeit dabei, die Häuser einer Energetischen Sanierung zu unterziehen. Hier finden sich Häuser im Bauhausstil; zumindest was die Eingangsbereiche anbelangt. Gerade um die Eingänge habe ich mir Sorgen gemacht.

Wie es scheint, werden auf die alten Hauswände Dämmplatten aufgebracht, diese verputzt und anschließend mit einer Verblendung versehen, die eine Ziegelsteinbauweise vorgaukelt, wobei zum Glück die alten Hauseingänge verschont bleiben:

BlenderHauseingangunsanierte und sanierte Hauswand nebeneinander

Na, das schaut nicht so schlimm aus. Allerdings sind diese Fassaden auch ziemlich „glatt“, haben also keine auffallenden Verzierungen, die unter der Dämmung verschwinden konnten. Anders schaut es z.B. bei diesem Haus im Hohenzollernring aus. Hier ist die Fassade durch den Stein geformt. Dafür gibt es bestimmt keine kostengünstige Fassaden-Imitation. Sollen solche schönen Häuser einfach zugeklebt werden? Eine Schande.

Historische Bauten

Es muss Ausnahmen geben. Nur um eine Verordnung zu erfüllen dürfen nicht so wichtige Bauten wie z.B. das Chilehaus unter einer glatten Wärmeisolierung verschwinden. Gleich nebenan ist das, vor allem an der Südseite reich verzierte Haus Meßberg 1. Sollen die Erker, Rundungen, Simse und Figuren der Wärmedämmung geopfert werden? Oder das Kontor in der Niedernstraße? Wirklich einzigartig ist auch der Sprinkenhof mit seinem rautenförmigen Klinker. Für den Fassadenschmuck sind Klinker und Terrakotten zum Einsatz gekommen. Das darf nicht für immer unter Dämmmaterial verschwinden!

Eingang ChilehausSpitze Ecke vom ChilehausSüdseite des ChilehausesHausecke mit FigurHausecke mit Figurenverwinkeltes DachGesamtansicht des SprinkenhofsDetailansicht Sprinkenhof

Diese Gebäude sind „Extrem-Beispiele“, da sie in der Innenstadt gelegen sind, von bekannten Architekten konzipiert wurden und weit über Hamburgs Grenzen bekannt sind. Aber wie oben beschrieben, gibt es auch in den etwas am Rand gelegenen Stadtteilen ganze Quartiere, die mit einer schützenswerten Architektur aufwarten. Diese Gebäude sind vielleicht nicht so berühmt, aber dennoch wichtig für das Stadtbild. Hier nur wegen einer Verordnung wunderschöne Fassaden zu verdecken wäre eine Schande.

Nicht alles, was die mitregierende GAL in Hamburg durchsetzen will (s. Moorburg) ist schlecht. So wollen sich die Grünen für genau das hier angesprochene Problem einsetzen: eine Versöhnung von Klima und Backstein. Schauen wir mal nach der morgigen Verkündung zum Thema Moorburg, wie gut das Standbein der GAL in Hamburg dann sein wird, was aus der Versöhnung wird … Wenn es nach der CDU ginge, würde vermutlich alles abgerissen und durch Glas- und Stahlmonster ersetzt werden. Da stehen die drauf. 🙁 (Übrigens kann ich mir als Laie nicht vorstellen, dass diese Glasfassaden alle energetisch günstig sind …)

Kommentare (3)

  1. Reen schrieb:

    Energiesparen ist wichtig! Ganz klar! Jemand, der keinen Geländewagen braucht, der sollte auch keinen fahren! Schon gar nicht in der Stadt!

    Aber dieses Energieverordnung für Häuser sehe ich noch recht zweifelhaft!
    Das Neubauten so was erfüllen müssen finde ich gut und richtig! Aber ab nächstes Jahr, muss jedes Haus, dass umgebaut wird den Kfw 60 Stand erfüllen. Damit fiel für mich der Umbau meines Elternhauses flach, weil es mich wesentlich günstiger kommt, wenn ich komplett neu baue.

    Überlegt, wirtschaftlich und ökonomisch Renovieren ist ja richtig, sollte eh jeder machen, da sonst am falschen Ende gespart wird, aber gerade bei Umbaumaßnahmen sind die Auflagen echt zu hoch. So kann doch kaum jemand einen alten Bau (fachwer, etc.) erhalten.

    Offtopic: Ich könnte Dir bald die ersten beiden AUsgaben von Thor schicken, dann kannst Du schauen, ob die Reihe Dir gefällt und dann schickst Du mir die Comics einfach irgendwann wieder zurück!

    Montag, 29. September 2008 um 21:22 #
  2. Andy schrieb:

    Zitat: Es gibt die Energieeinsparverordnung (EnEV), die regeln soll, wie Häuser und Gebäude am umweltfreundlichsten gebaut oder umgebaut werden sollen.

    Das ist nicht richtig, mit umweltfreundlich hat die EnEV nicht das geringste zu tun. Es geht rein um die Energieeffizienz in der späteren Nutzung. An die Umweltfreundlichkeit der eingesetzten Materialien werden aber noch keine Anforderungen gestellt.

    Montag, 20. Oktober 2008 um 10:53 #
  3. johanna schrieb:

    Besteht die Möglichkeit, die Bilder 1-4 des Artikels zu bekommen? Vielen Dank für eine kurze Info.

    Mittwoch, 15. September 2010 um 10:39 #