Fahrrad-Leihsystem

Jungfernstieg

Wieder ein Feigenblatt: Da verkündeten sie heute, Hamburg bekomme im Mai sein eigenes Fahrrad-Leihsystem in der Innenstadt. 1000 Fahrräder werden an 70 Stationen zur Verfügung gestellt. Die erste halbe Stunde ist für Umme, danach geht es im Minutentakt gegen Endgeld weiter. Was sind wir hipp, was sind wir wieder (angeblich) grün.

Zu der Idee kann man unterschiedliche Ansichten haben.

Umweltverschandelungssenatorin Hajduk lobte sich, den Senat, das System und überhaupt:

Das Fahrradleihsystem ist damit ein wichtiger Schritt in unserer Radfahrstrategie, mit der wir den Anteil des Radverkehrs im Verkehrsaufkommen auf mittlere Sicht verdoppeln wollen.

Der Radverkehr soll vermehrt werden. Soso. Wann, abgesehen vom PR-Fototermin, saß die Senatorin — überhaupt einer „von da oben“ — das letzte Mal auf einem Fahrrad und ist wie Otto Normalverbraucher kreuz und quer durch die Stadt gefahren? Schön ist das nämlich nicht. Weiß Gott nicht!

Wenn man einen Fahrradweg findet — was nicht selbstverständlich ist, vor allem wenn man ihn so schick unauffällig in eine Prachtmeile wie den Jungfernstieg integrieren will (bloß nicht auffallen damit) —, dann ist es nicht gewiss, dass man den Weg auch benutzen kann. Der Großteil ist in einem schlechten Zustand! Oder zugeparkt. Oder gefährlich angelegt. Wie gesagt: Schön ist das nicht, mit dem Rad durch Hamburg zu fahren.

Aber das Radleihsystem ist wohl auch nur für die Fantastillion von Touristen gedacht, die täglich nach Hamburg strömen, die sich dann bei jedem Wetter auf den Drahtesel schwingen und schön durch die schöne Innenstadt gondeln werden. Zu weit wird man sich wohl nicht von den Stationen entfernen. — Ich muss es fragen, es bietet sich einfach an: Wenn die Fantastrillionen Touris alle auf dem Rad fahren und die sowieso nur wegen der Elbdisharmonie da sind, also in die HafenCity kutschieren – auf dem Bock – wozu brauchen wir dann noch einmal die U4?

Also, das Radfahren attraktiver machen: Okay. Aber nicht mit solchen Augenwisch-Aktionen. Lieber mal nachdenken und Gelder in den Ausbau eines vernünftigen Fahrradnetzes investieren. Wenn das steht, dann kann man auch mit geliehenen Rädern durch die Stadt fahren.

Das Leihsystem wird von der Datenskandal-Bahn übernommen. Die haben die Räder verwanzt erst einmal vorgeschossen. Der laufende Betrieb des Systems wird mit 1,1 Millionen Euro jährlich veranschlagt. Was’n Wunder, dass die mal im Vorfeld tatsächlich an sowas wie laufende Kosten gedacht haben. (Bei den Elbdisharmonie-Kostenrechnungen fehlen die immer irgendwie …)

Zu diesem Thema schrieb ich bereits im März 2008. Damals wurde von 2000 Rädern geträumt, während Experten lediglich 1000 Velos für den zur Verfügung stehenden Betrag sahen — die Experten behielten anscheinend Recht.

Kommentare (2)

  1. funkygog schrieb:

    Wo ist eigentlich der Vorteil gegenüber einem normalen Fahrradverleih? Der würde sich sicherlich über den Betrag von 1,1 Mio freuen. Der Tourist könnte dort einfach seine 8,-? auf’n Tisch legen und los fahren.

    Die Stadt sollte wirklich lieber das Geld investieren in die Modernisierung der Fahrradwege und auch außerhalb der Innenstadt. (denn dort leben die wenigsten Hamburger)

    Mittwoch, 11. Februar 2009 um 23:38 #
  2. hmilch schrieb:

    Ich finde es oft so bedenklich, dass Politik als PR-Termin inzeniert wird. 1. (Gute)Idee 2. Fotos 3. Bericht in Presse 4. …und jetzt? Durchführbarkeit? Aber ich bin nicht genau informiert, daher keine (Stammtisch-)Parolen. Nur eins: Wer wartet die Räder eigentlich ? Bei sportlichem Gebrauch werden die sicher nicht so viele Radwegstunden durchhalten. Aber wahrscheinlich sollen die gar nicht so richtig als Fortbewegungsmittel genutzt werden. Mehr so als grünes Sightseeing-Feigenblatt. Halt (*hau auf Finger*) – das weiß ich ja gar nicht.

    Donnerstag, 19. Februar 2009 um 15:24 #