Haupt- gegen Hansestadt

Wo war ich da eigentlich? Ach ja, in Berlin. Ein „Fischkopf“ in der Hauptstadt. Und von wem musste ich mir das sagen lassen? Von Bonnern! Nur weil der eine Verrückte seit fünf Jahren dort lebt, kann er sich bitte schön nicht das Recht herausnehmen mich so zu beleidigen.

Die Frage kam auf, es gäbe doch so eine alte Fehde zwischen Berlin und Hamburg? Die würden sich doch nicht mögen. Da bleibt einem nur übrig in die Defensive zu gehen, also sagte ich trotzig: „Wir sind Hamburger und wir mögen niemanden. Uns mag auch keiner.“ Da schwang ein wenig Pirat mit.

Der erste Teil der Aussage stimmt so nicht wirklich, aber irgendwie scheinen die Hamburger immer wieder „da draußen“ schlecht gelitten zu sein. Warum? Es muss daran liegen, dass wir die alte Hansestadt immerzu als „schönste Stadt der Welt“ bezeichnen. Das mögen „Auswärtige“ anscheinend nicht, wenn wir behaupten, unsere Stadt sei schöner als ihre.

Aber mal ehrlich: Schon mal mit der Berliner U-Bahn gefahren? Die ist potthässlich. Die Häuser sind hoch, mal alt und reich verziert — was einen zunächst mit offenem Mund zurück lässt. Doch schnell wird das Alte irgendwie zu reichhaltig verziert, es wirkt erdrückend und beängstigend. Zu protzig. Da herrscht in der alten – nicht der neuen – Hamburger Architektur mehr Eleganz und Zurückhaltung.

Kindergartenarchitektur Die anderen Häuser der Hauptstadt sind oft quietschig bunt, Fenster über Fenster, dazwischen grellgrüne, bonbonrote oder pastellgelbe Hausfassaden. Auf der einen Seite die Säulen, die riesigen Figuren, Globen und Löwen, auf der anderen Seite Kindergarten-Architektur.

Hinzu kommen die Straßen, die in der Hauptstadt alle Paradestrecken zu sein scheinen. Breit, viel breiter als manche vierspurige Straße in Hamburg. Wenn dann so eine Parademeile noch von hohen, erdrückenden Häusern gesäumt ist, wirkt es einfach bedrohlich.

Das ist Berlin Mitte. Andere Stadtteile haben mehr Charme. Die breiten Straßen bleiben, die Architektur wird jedoch schlichter, normaler, weniger protzig. Eine Straße in Kreuzberg kann richtig urig sein und ein wenig an Ottensen erinnern. Zumal es dort endlich auch an fast jeder Ecke etwas zu essen gibt, sei sie auch noch so verstaubt und verrußt.

Kreuzberg 36 — wie ich lernen durfte, gibt es zwei „Kreuzberge“ — hat wirklich Flair. Erinnert mich mit seinen vielen, vielen Kneipen an das alte Schanzenviertel Hamburgs. Dort hat immerhin auch schon lange die Gentrifizierung eingesetzt, wirklich toll ist die Schanze somit auch nicht mehr. Kreuzberg 36 hat noch etwas Schmuddeliges. Einen Tick mehr angepasst, aber immer noch Kiez-artig, ist das viel größere Kreuzberg 61. Auch nett.

Potsdamer Platz Die Hauptstadt ist zu groß. Hamburg, unser liebes Dorf, ist da heimeliger, kuscheliger. Kein Wunder, dass wir uns so verbunden mit der Elbstadt fühlen. Schimpfen wir auf Berlin, ist das im Grunde nur Angst, ganz bestimmt kein Neid. Unterstellt man den Hamburgern, sie würden allen die kalte Schulter zeigen, stimmt dies nicht. Im Gegenteil, eigentlich wollen wir viel lieber eine Schulter zum Ankuscheln haben. Am liebsten eine hanseatische Schulter, weil diese die selbe Sehnsucht hat.

Schließlich musste ich mir von den Bonner Jecken noch anhören, mein Missingsch (das ich nicht spreche, dass aber so schön breit in Hamburg gesprochen wird — wenn auch mittlerweile viel zu wenig), sei ein grausamer, ein ekliger Dialekt. Da hört sich doch alles auf …

Nach knapp drei Stunden Bahnfahrt und einem kurzen Bus-Tripp hat mich meine Stadt wieder. Hamburg, das sei zum Schluss erwähnt, riecht auch ganz anders als Berlin. Irgendwie würziger, frischer.

Kommentare (6)

  1. Gerhard schrieb:

    [klugscheißer]missingSCH[/klugscheißer] 😉

    Aber mir ansonsten größtenteils aus dem Herzen gesprochen. =)

    Samstag, 7. März 2009 um 00:02 #
  2. Gerhard schrieb:

    Vielleicht hätte ich eher Kloogschieter schreiben sollen… *gg*

    Samstag, 7. März 2009 um 00:03 #
  3. Nils schrieb:

    Ach Schnick-Schnack. Danke für den Hinweis. Das kommt davon, wenn man von unterwegs schreibt… Ist korrigiert.

    Samstag, 7. März 2009 um 00:06 #
  4. MartinM schrieb:

    Meine Erfahrung zu diesem Thema: ich habe noch nie von einem „echten“ (alteingesessenen) Berliner zu hören bekommen, dass es ein „Berlin / Hamburger – Erbfeindschaft“ gäbe. Sarkastische Bemerkungen z. B. über „Hamburger Arroganz“ bewegen sich im Rahmen der „Berliner Schnauze“ – etwas kodderig bis rotzig, aber ätzende oder feindselige Bemerkungen hören sich anders an.
    Ganz anders meine Erfahrungen mit „Neu-Berlinern“. Es ist fast wie mit der demonstrativen religösen Intoleranz von Konvertiten.
    Übrigens sind, soweit ich es mitbekomme, unter den penetranten Hamburger Lokalpatrioten („Schönste Stadt der Welt“ usw.) ziemlich viele Neu-Hamburger.

    Montag, 9. März 2009 um 09:04 #
  5. Nils schrieb:

    Übrigens sind, soweit ich es mitbekomme, unter den penetranten Hamburger Lokalpatrioten („Schönste Stadt der Welt“ usw.) ziemlich viele Neu-Hamburger.

    Ach, das ist ja interessant. Also wird es denen gar nicht über die Muttermilch beigebracht. Die empfinden das selber so! Um so mehr Gewicht bekommt es doch im Grunde. 🙂

    Montag, 9. März 2009 um 17:45 #
  6. MartinM schrieb:

    Ich finde, die einzige erträgliche Form des Lokalpatriotismus ist eine gesunde Hassliebe zu dem Ort, in dem man lebt. Neubürger sind noch zu begeistert von der Stadt, die sie sich ausgesucht haben, um diese Hassliebe (die auch in Magerfettstufe zu merken ist) entwickeln zu können.

    Dienstag, 10. März 2009 um 06:38 #