Computerspiele sind Kunst

Zwei Dinge vorweg: Zum einen spiele ich keine Computerspiele. Früher, als die Spiele noch zweidimensional waren, mit einer dicken Kassette geladen und einem Joystick bedient wurden, der nur vier Richtungen zuließ — da war ich auch begeisterter Spieler. Zum anderen habe ich das nachfolgend angekündigte Werk noch nicht vollständig gelesen. Lediglich das Vorwort und die sehr gute Einleitung habe ich mir zu Gemüt geführt. In der Einleitung werden die Inhalte der weiteren Texte kurz angerissen. So bekommt man einen gewissen Überblick über das Werk „Streitfall Computerspiele: Computerspiele zwischen kultureller Bildung, Kunstfreiheit und Jugendschutz„, das zuvor nur in gebundener Form vorlag.

Winnenden im Hinterkopf und die sofort von den Medien los getretene „Diskussion“, dass natürlich die gewalttätigen Computerspiele am Übel der Welt Schuld sind, hat der Deutsche Kulturrat das Buch „Streitfall Computerspiele“ kostenlos als PDF im Internet zum Herunterladen zur Verfügung gestellt. In dem Buch sind verschiedene Beiträge aus der Zeitschrift politik und kultur gesammelt.

Interessant sind angesprochene Aspekte wie „Nicht verbieten, sondern Qualität fördern“ oder „Computerspiele sind Kunst“.

Computerspiele sollten nicht prinzipiell verteufelt werden, es sollte vielmehr darauf geachtet werden, die Qualität der Geschichten zu erhöhen. Kein „Underground“, sondern ein gefördertes Medium, schon bräuchte man nicht mehr mit der brennenden Inquisitionsfakel durch die Reihen der Computerspiele ziehen.

Zugleich wird in den Anträgen [im Bundestag] unterstrichen, dass besonders wertvolle – sei es künstlerisch oder pädagogisch – Spiele einer Förderung bedürfen, sei es um die Entwicklung solcher Spiele besonders zu befördern, sei es um den Standort Deutschland zu stärken und sei es um Käufern von Spielen eine Orientierung zu geben.

Hebt das Niveau dieses Unterhaltungsmittels und man braucht nicht mehr auf plumpe Gewalt zurückzugreifen, um eine Story voranzubringen. Um es einmal ganz salopp auszudrücken.

Ein weiterer, zentraler Punkt, der in dem Papier offensichtlich mehrfach angesprochen wird, ist der, dass Computerspiele als Kunst eingestuft werden. Da es in Deutschland eine Kunstfreiheit gibt, dürfe man eigentlich gar nicht Computerspiele verbieten, auch wenn das PR-wirksam von Politikern verlangt wird.

Computerspiele sollen Kunst sein? Da lief es mir kalt den Rücken herunter und die Nackenhaare sträubten sich. Das soll Kunst sein? Niemals! Doch dann fiel mir eine Philosophie-Vorlesung ein, die einst besuchte. Da hieß es, dass im Grunde alles Kunst sein kann. Jeder Gegenstand, und sei es der Jägerzaun vom Nachbarn, könne als Kunst angesehen werden — ob es einem gefällt oder nicht, was man dort sieht. Somit auch Computerspiele. Immerhin steckt ein gewisses Maß an Kreativität in den Spielen. Selbst wenn die Geschichte lau ist und wie ein billiger Abklatsch einer bereits erzählten Handlung wirkt, wenigstens beim Programmieren steckt dann noch Kreativität dahinter.

Trotzdem behagt mir der Gedanke nicht so sehr. Für mich sind Computerspiele eher „ein Gebrauchsgegenstand“, weniger Kunst.

Vermutlich stecke ich in der „Falle der Alten“. Will man Computerspiele verstehen, muss man sich mit der Jugend von heute auseinandersetzen.

Wichtig ist hierbei, sich einer ausgesprochen unseligen Tradition in der Politik, in der pädagogischen Praxis und Wissenschaft bewusst zu bleiben. Diese besteht darin, dass jede Erwachsenengeneration mit den jeweiligen Kinder- und Jugendmedien ihre Probleme hatte. (…) Erwachsene waren nie zufrieden mit der Musik der jungen Leute (zu laut, nicht harmonisch, entspricht nicht dem Kanon etc.), mit ihrer Lektüre, mit ihren sonstigen Freizeitbeschäftigungen. Gerade die Medienpädagogik hat diese unselige Tradition in Form einer Bewahrpädagogik gepflegt: Am besten solle man alles, was den Erwachsenen nicht passt, verbieten und indizieren. All dies hat nicht funktioniert bei den Groschenromanen, den Schlagern, bei Rock und Pop; es hat nicht funktioniert bei Comic und bei Videos; es funktioniert nicht beim Internet und bei Computerspielen. Es funktioniert nicht nur nicht, es ist auch pädagogisch falsch. Der richtige Weg besteht vielmehr in der Entwicklung von Medienkompetenz, im Einüben in einen souveränen Gebrauch (aktiv und passiv) des Medienangebots.

Verbieten kann also nicht der Weg sein. Wir wissen alle, dass die verbotenen Früchte die süßesten sind. Zumal in Zeiten des Internets ein Herankommen an indizierte Spiele ein Leichtes ist. Stattdessen sollen sich die Erwachsenen, hier die Eltern an vorderster Front, mit ihren Kindern und deren Spielen auseinandersetzen. Wenn es allerdings heißt, dass die Kinder immer mehr vor (kostenpflichtigen) Angeboten hocken, kann man vermuten, die Eltern würden ihre Aufsichtspflicht vernachlässigen oder sie haben kein Interesse daran, sich mit dem Nachwuchs zu beschäftigen.

Die Wirkung [der Spiele auf die Kinder und Jugendlichen] hängt jedoch entschieden von gesellschaftlichen (und familiären) Kontexten ab, in denen sich die Jugendlichen befinden.

Eine interessante Schrift, die zum Nachdenken und Diskutieren animiert.

Nur weil Politiker und Eltern keinen Zugang zu Computerspielen haben, muss man diese nicht gleich verbieten. Das sollte langsam klar sein. Es gibt bestimmt einen gewissen Prozentsatz unter den Jugendlichen, die ohnehin ein gewisses Gewaltpotenzial haben, man muss sich jedoch einmal fragen, warum sie dieses besitzen? Es gibt die Hypothese, dass aus Frustration Aggression entsteht — wieso sind die Jugendlichen also frustriert? Wer kann ihnen bei der Bewältigung helfen?

Der Rest hat einfach „Spaß“ am Spiel, ob es gewalttätig ist oder nicht. Sehen wir die Computerspiele als Kunstform an, dann stehen sie z.B. auf einer Stufe mit der Literatur oder der Bildenden Kunst. Die Kunst hat in früheren Epochen genügen. gewalttätige Exponate hervorgebracht. Bilder oder Bücher, die heutzutage zum Kulturgut gehören.

Als junger Mann sah ich in der Münchner Neuen Pinakothek ein Triptychon von Francis Bacon, das mich zu tiefst beeindruckt hat. Bacons Kunst ist sehr gewalttätig. Sehr. Dennoch bin ich danach nicht mordlüstern durch die bayerische Hauptstadt gelaufen. Medienkompetenz ist ein gerne be-, fast schon abgenutztes Schlagwort. Sie ist wichtig! Aber wird sie auch heute noch wirklich vermittelt?

Zum Schluss der Anfang. Gabriele Schulz fängt die Einleitung zu dem Papier mit den Worten des Geschäftsführers des Deutschen Kulturrates an. o.a. Zimmermann sagte im Februar 2008:

Bei der Debatte um Gewalt in Computerspielen darf aber nicht über das Ziel hinausgeschossen werden. Erwachsene müssen das Recht haben, sich im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen auch Geschmacklosigkeiten oder Schund anzusehen bzw. entsprechende Spiele zu spielen. Die Meinungsfreiheit und die Kunstfreiheit gehören zu den im Grundgesetz verankerten Grundrechten. Die Kunstfreiheit ist nicht an die Qualität des Werkes gebunden. Kunstfreiheit gilt auch für Computerspiele.

Zimmermann startete mit diesen Worten eine gewollte Diskussion. Ist auch schön und gut, nur packte mich erneut das kalte Grauen. Wir haben das Recht Schund zu sehen? Dabei denke ich spontan an all den Müll, den die Fernsehsender den dummen Schafen vorsetzen — und die schauen sich das auch noch brav an: Casting-Shows, D-Promis etc. Hat man nicht auch das Recht auf Qualität? Wo ist die?

Kommentare (3)

  1. gegner schrieb:

    Ballerspiele machen agressiv!

    Brandneues Video (17.März 2009) auf youtube:
    http://www.youtube.com/watch?v=KlXKRlKXU6s
    beweist dies eindeutig!Zockender Rocker flippt völlig aus und beschimpft seine Mutter!
    UNBEDINGT ANSEHEN und dann eigene Meinung bilden…

    Dienstag, 17. März 2009 um 17:10 #
  2. Sven schrieb:

    Schöner Artikel.

    Meine Anmerkung dazu: Selbstverständlich sind Videospiele Kunst.

    Kann ich dir bei einem Getränk gerne sehr ausführlich darlegen, warum das so ist.

    Mittwoch, 18. März 2009 um 10:54 #
  3. Nils schrieb:

    Okay. Wann und wo?

    Donnerstag, 19. März 2009 um 13:29 #