Zum Glück haben wir Religionsfreiheit, sonst wäre ich vermutlich schon das eine oder andere Mal als bekennender Twitter-Kritiker gesteinigt worden. Mit diesem beruhigenden Wissen, dass mir im Grunde nichts passieren kann, traute ich mich dann auch gestern auf die Twitterlesung, die am zweiten Tag der re:publica in der Berliner Kalkscheune abgehalten wurde. Es war nichts besseres zur abendlichen Berieselung vorgesehen und da auf der Lesung die Creme von der Creme der Twitterleser aus Hamburg anwesend war, gab mir das gleich ein Stück Heimat zurück. Außerdem lief nichts im Fernsehen … 😛
Auf dem Weg zum Lesungssaal wurde ich gleich freundlich von Valentin überfallen, neben dem ich dann auch die Lesung über saß. Valentin erzählte vor der eigentlichen Lesung noch einmal vom Politcamp, das spannend klingt. Doch bevor das Lese-Spektakel losgehen konnte, musste zunächst ein anderes enden: Monochrome aus Österreich stand auf der Bühne, als wir den Saal betraten und redete, fluchte und zum Schluss sang er auch noch. Nicht böse sein, aber ich hoffte doch auf weniger Dada bei der Lesung.
Ein Nicht-Doktor hielt die Anmoderation und schon waren wir mitten drin: André und Michael hielten die erste Session, es folgten weitere. Unter anderem gab es eine mit Picki und Sascha, wobei Picki gekonnt jede zehnte Pointe tötete — was eigentlich wieder eine Pointe war. Man konnte es ihr verzeihen, hatte sie doch gerade vorher eine Session mit Martha auf englisch gehalten. Dazu sage ich nichts. 😉
Der Herr Grau war ebenfalls auf der Bühne, genauso Herr Niggemeier, der sich als Twitter-Ablehner outete und nun eine Session vorlesen durfte: das Beste von trottelbot. Amüsant.
Überhaupt, waren manche Schmankerle bei der Lesung zu hören und lesen. Ist schon überraschend, wie viel Unsinniges fabriziert werden kann. Im Grunde ist Twitter die Bild des Web2.0: belanglos, voller Müll und doch lesen 80% der Bevölkerung mit. Naja, zu einem unterhaltsamen Abend reichte es. Obwohl die — was? — ca. zwei Stunden doch auch einige Hängeminuten hatten — was zu verzeihen ist.
Nette Idee war die Offline-Twitter-Aktion. Kleine Kärtchen mit 140 Kästchen wurden ausgeteilt und Mensch sollte mit Papier und Stift twittern — ein Unterfangen, das nicht jedem gelingen wollte. Der Umgang mit diesen Schreibutensilien scheint nicht mehr beherrscht zu werden.
Die kritische Jury einigte sich schließlich doch noch und fand in den zehn Einsendungen sechs, die am Ende der Lesung vorgelesen wurden. Per Applaus stimmte das Publikum über den Top-Offline-Twitterer ab. Wie im echten Leben Geld zu Geld kommt, war es auch in diesem Kreis von Nerds ganz klar, man hätte Wetten darauf abschließen können: Natürlich gewann ein A-Blogger den begehrten Vodka-Preis für den besten Offline-Tweet. Rene (der ist ja „in echt“ viel kleiner als erwartet) sicherte sich den kleinen Pokal — mit einem Toilleten-Witz. War ja klar …
Unterm Strich: Netter Abend.
Was man so lesen konnte und im Endeffekt auch hörte, ist die diesjährige re:publica wohl nicht so der Hit. Wat bin ick froh, dat ick nua abends ma reing’schaut hab, wa!? Der Running Gag der re:publica 09 scheint ganz klar das fehlende WLAN zu sein. Eine Internet-Konferenz und niemand kommt rein ins heilige Netz. Ironie pur. 😀 [dunkle Bilder von der Lesung]