Rocko Schamoni wurde vom ZDF zu den Protesten im Hamburger Gängeviertel befragt. Wer hier aufmerksam mitliest, wird schon mitbekommen haben, dass es in dieser Stadt sehr viel (!) zu kritisieren gibt. Diese Stadt wird von Tag zu Tag glatter, langweiliger, einheitlicher. Das hat auch Michael in einem Hamburg-Besuch-Tweet festgestellt:
Feststellung des Tages: In Hamburg sieht es genauso aus wie in jeder anderen Stadt auch. H&M, Kaufhof, Starbucks, Kamps & Foot Locker? #öde
Sorry dafür, lieber Michael. Aber Du hast vollkommen Recht. Ist nicht meine Schuld. Ich hätte Dir gerne etwas anderes geboten.
Zurück zu Rocko Schamoni. Der Musiker gibt ein sehr treffendes Statement zur Situation der Künstler in Hamburg ab. Aber auch zu den Bürgern der Hansestadt. Ich kann seine Aussage unterschreiben — und das ist schlimm, dass ich das kann:
Die Stadt, die jetzt um uns herumwächst, ist nicht die Stadt, in der wir leben wollen. Und da kann ich für, sag ich mal einfach, für Tausende sprechen. Ich kenne unglaublich viele Menschen, die sagen über Hamburg, in den letzten Jahren hat sich diese Stadt in eine Richtung entwickelt, in eine hermetische, antiseptische Richtung, die total für uns lebensfeindlich ist. Es nimmt einem die Lust, in dieser Stadt zu sein.
Es wird in dieser Stadt nur nach den Interessen weniger Menschen gehandelt. Wenige füllen sich die Taschen, an anderer Stelle fehlt es an Geld für Schulbücher, die plötzlich von den Eltern gekauft werden müssen. Wenige bauen sich monumentale – und zumeist hässliche – Denkmäler, auf dass kommende Generationen immer an diese Wenigen erinnert werden, während an anderer Stelle das Geld fehlt und die zuständige Behörde die Hürden hoch und höher setzt, damit niemand mehr an Sozialleistungen herankommen kann. Aber Hauptsache, wir haben schöne, saubere, verwechselbare Straßen, in denen konsumiert werden kann.
Da mag man wirklich nicht mehr gerne in dieser Stadt wohnen.
Das Dumme: die besagten Wenigen wurden von der Mehrheit gewählt. Womit sich wieder bewahrheitet, dass die dümmsten Schafe sich ihren Schlachter selber aussuchen.
Übrigens bin ich geradezu entzückt von der Sichtweise Schamonis über die HafenCity. Als er anfing, diese zu loben, dachte ich, ich werde nicht mehr. Aber:
Ich finde, dass in der HafenCity alles richtig gemacht wird, was man richtig machen kann. Dieses Areal ist jetzt quasi nahezu fertig. Die Häuser und Wohnungen sind bezugsfertig und es ist die einmalige Chance für Hamburg alle diejenigen, die die anderen Stadtteile bis jetzt besetzt haben und sich über dreckige Straßen, Lärm und so weiter beschweren, dort rauszuholen aus – in Anführungsstrichen – unseren Quartieren, und sie schön umzusiedeln in die HafenCity. Denn das ist quasi das Viertel mit dem roten Teppich, das extra für sie angerichtet wurde. Besser kann man’s in einer Stadt nicht machen. Das ist geglückte Stadtplanungspolitik. Dazu herzlichen Glückwunsch.
Die HafenCity als Ghetto für die Reichen. Grandios. Wenn sie alle drin sind, machen wir schnell einen dicken Zaun darum, damit wir von ihnen verschont bleiben. Allerdings verkaufen wir den Zaun natürlich als Schutz vor uns. Und die U4 ist dann tatsächlich nur noch dafür da, damit die Putzfrauen in die HafenCity kommen. Da steckt also tatsächlich ein Plan dahinter!? 😮
[Danke an Frau R. für den Hinweis.]
Kommentar (1)
Yo, das ist ein tolles Interview und der alte Rocke sagt viele richtige Dinge auf sehr unterhaltsame Art.
Nur, dass mir bei der breiten Einseitigkeit dieser Argumentationen die Klischees die Tatsachen übertünchen.
Müssen wir uns – die wir eine andere, unsere Stadt mit ihrem brüchigen aber auch altem kaufmännischem Charme – nicht auch an die eigene Nase fassen, so spät erst zu erkennen, was vor sich geht? Der Ausverkauf von Identität?
Wo waren sie also alle, die kleinen Klugscheißer, als die tanzenden Türme auf Pauli und das Brau-Viertel geplant und beschlossen wurden? Und das Gängeviertel hatte NIEMAND, wirklich keiner auf der Reihe, außer die, die da lebten und das Hamburger Abendblatt um die Ecke …
Man kann nämlich IM VORFELD eine Menge tun! Das wird schnell vergessen.
Ich wehr mich an dieser Stelle stets gegen griffige Vereinfachungen und Schwarz-weiß-Installationen.
Aber die Sache mit der Umsiedlung in die HafenCity ist schon sehr lustig. Danke für das Zitat.