Letztes Wochenende ist die zwölfte Altonale zu Ende gegangen. Die Altonale ist nicht nur die Fressmeile (altonale straßenfest), die man in der Ottensener Hauptstraße und der Bahrenfelder Straße wahrnimmt. Bei dem Stadtteilfest findet Kunst statt. Allerdings eher „im Verborgenen“. Man kann Ateliers betreten und sich umschauen, mit den Künstlern ins Gespräch kommen oder an Lesungen teilnehmen. Aber wenn man sich nicht aktiv um die Informationen kümmert, wie kommt man dann mit der Kunst in Kontakt?
Umso praktischer, wenn die Kunst in den öffentlichen Raum drängt. Wenn man auf Schritt und Tritt der Kunst begegnet, ob man will oder nicht.
Während die Altonale lief, fielen mir bereits zwei Schilder mit seltsamen Worten auf, die am Rande der Busstrecke 1er/ 250er zu sehen waren. Außerdem stand irgendwann in der Arnoldstraße, Ecke Bahrenfelder Straße ein sehr auffälliger (weil quietschrosa angestrichener) Bauwagen mit der Aufschrift „Wortfindungsamt“. Schnell war die Verknüpfung zwischen den seltsamen Schildern und dem Amt hergestellt.
Am Sonntag bin ich dann losgezogen, um die Schilder zu fotografieren. Dabei stieß ich plötzlich auf viel mehr Schilder. So einfach konnte man die vom Bus aus gar nicht sehen. Erst beim Ergehen von Ottensen fielen Schilder mit der Aufschrift „Stille“, „Rrökan“ oder „Öpfel“ auf.
Später erfuhr ich, wer hinter dem „Wortfindungsamt“ steckt. Die Künstlerin Sigrid Sandmann hat insgesamt 738 Worte auf Schilder gedruckt und innerhalb von zehn Tagen in ihrem „Amt“ verteilt. Die Aufgabe an die Bürger: Sucht euch ein Schild aus, das zu euch oder eurer Umgebung passt und hängt es auf.
Bei einigen Worten haben sich die Bürger, die „Mitkünstler“, durchaus Gedanken gemacht. So findet man z.B. in der Kleinen Brunnenstraße den „Seelenbaumler“ — baumelnd aus einem Fenster. Das Wort „Sport“ findet sich am Ausgang des Altonaer Bahnhofs (beim Mc Donald’s) auf einem Kondom-Automaten. Das „Alphatier“ hängt an dem Zaun zur Hundeauslauffläche am Kemal-Altun-Platz. Und das Wort „Gentrifizierung“ findet sich passenderweise am Frappant, das einem blauen Ikea-Klotz weichen muss.
Wort-Schwund
Leider sind nicht mehr alle 738 Worte auffindbar. Warum? Weil einige Mitbürger entweder keinen Sinn für Kunst und die Schilder abgerissen haben. Manche haben hingegen, so vermutet die Künstlerin, sehr viel Sinn darin gesehen und das eine oder andere Schild für sich selbst abmontiert. Gut, wenn „Mitkünstler“ ihre Worte ins eigene Fenster gehängt haben. Da können sie nicht abhanden kommen.
In der Karl-Theodor-Straße fand ich das Wort „Kuhlomatischesringfeuer“ an einem Fahrrad-Verschlag befestigt. Kaum drehte ich mich um, sah ich auf der anderen Straßenseite einen Mann wild winken. Er zeigte hoch an eine Hauswand. Vermutlich war es der Wirt des Weinlokals „Zur Traube„. Er schien stolz auf seine „Gaumenerotik“ zu sein. Ist auch ein schönes Wort! 🙂
Wir kamen ins Gespräch. Er meinte, in der Gegend habe es viel mehr Schilder gegeben, aber vermutlich hätten Jugendliche diese abgerissen. Aus Spaß. Der Mann erzählte, dass viele Schilder auf Dächern gelandet wären. Also einfach abgerissen und weggeworfen. Schade.
In der Lobuschstraße hing am Sonntag noch das ebenfalls tolle Wort „Mädchengeburtstag“. Leider versagte der Kamera-Akku. Am Montag war das Schild fort.
Das „Wortfindungsamt“ ist eine schöne Idee. Die Woche über bin ich jeden Abend nach der Arbeit mit der Kamera durch Altona gezogen, immer auf der Suche nach weiteren Schildern. — Ich suche weiter.