Ben Folds und Nick Hornby auf einsamer Straße

Cover Ben Folds, Nick Hornby - Lonely Avenue

Bewertung: 4.5 von 5

Ein Glücksfall, wenn ein bekannter Schriftsteller, hier Nick Hornby, irgendwo auf der Welt, hier London, einen Musiker hört und sich sagt, der soll meine Texte vertonen. Und wenn dann der Musiker, hier Ben Folds in Nashville, gleich auf den Zug aufspringt, kann dabei nur eine interessante Scheibe herauskommen. Gesagt, getan. Das Projekt sollte dann doch knappe zwei Jahre dauern.

Der Brite Nick Hornby schrieb die Texte für das Gemeinschaftswerk Lonely Avenue. Teilweise, wie im Fall Claire’s Ninth, basiert der Text auf altem Material. Claire’s Ninth war dann auch die erste Kurzgeschichte, die Hornby verkaufte, die allerdings nicht publiziert wurde. Eine kleine Geschichte um ein Scheidungskind und seine Eltern.

Klarer Favorit ist das wunderschöne Picture Window, vor dem Ben Folds Angst hatte. Er wollte diesen berührenden Text nicht mit seiner Musik zerstören, was er dann auch nicht gemacht hat. Stattdessen schuf er ein Stück, bei dem regelmäßig Gänsehaut produziert wird. Eine Krankenhaus-Geschichte mit fatalem Ende.

Folds setzte neben seinem typischen Klavierspiel diesmal sehr oft auf umfangreiche Streicher-Begleitung. Im besagten Picture Window, ebenso im weiteren „Höre ich gerne“-Stück From Above. Horny erzählt die Geschichte von Seelenverwandten, die sich hunderte Mal über den Weg laufen, aber nie zusammenkommen, da sie schon vergeben sind. Eigentlich traurig, doch Ben Folds transportiert die Geschichte mit viel Schwung und Spaß.

Ben Folds, der zunächst davon ausging, ein kleines „Seitenprojekt“ ins Leben zu rufen, liefert im Ende eine ausgereifte CD ab. Der Songwriter empfand die Arbeit als sehr angenehm, wenn ihm jemand — zumal ein so talentierter Jemand — die Text-Arbeit abnimmt. In einem Interview, das auf der Deluxe Version der CD zu finden ist, gibt Folds an, beim Einspielen seiner eigenen Texte oft nur zu nuscheln, da er sich seiner Texte schäme. Diesmal standen die Leute hinter ihm und wussten genau, worum es im einzuspielenden Stück ging.

Musiker scheinen oft gefragt zu werden, wie viel Autobiografisches in den jeweiligen Stücken von ihnen stecke. Das kann Ben Folds bei Lonely Avenue nicht passieren. Die Antwort lautet bereits im Vorfeld: Kein Stück!

Und doch schafft es Hornby zumindest einen Liedertext zu verfassen, der die Vermutung naheliegen lässt: Belinda. Hierbei handelt es sich um die Geschichte eines Musikers, der irgendwann mal ein Lied über eine Liebe schrieb, damit Erfolg hatte und es nun auch nach vielen, vielen Jahren immerzu auf seinen Konzerten spielen muss. Die Fans wollen es, doch die Liebe ist längst vergangen.

Das namengebende Lonely Avenue ist ein Stück des Komponisten Doc Pomus, zu dessen Ehren das gleichnamige Stück auf der Scheibe zu finden ist.

Der Kopf geht in gemächlichem Rhythmus mit, wenn Folds Levi Johnston’s Blues singt. Das war der Bursche, der Sarah Palins Tochter schwängerte und über den auf einmal bestimmt wurde. Kopfnicken und Schmuzeln sind bei dem Stück angesagt.

Auf der Deluxe Version der CD sind neben einem Interview-Video und einem kleinen, erklärendem Booklet zwei weitere Stücke zu finden. Das oben gelobte Picture Window in einer nicht so tollen Pop-Version und der Ohrwurm Things You Think, eine Kooperation mit dem Duo Pomplamoose. Hier hört man auch Nick Hornby sprechen. Things You Think wurde vorab als Video veröffentlicht.

Absolutes Hasslied — es sollte nicht alles eitel Sonnenschein sein — ist Saskia Hamilton. Ein Stück um einen Literatur-Nerd, der sich in die Poetin Saskia Hamilton verliebt. Überaus nervig mit viel Synthesizer (Wann nimmt endlich jemand Ben dieses Teil weg?) umgesetzt.

Eine ansonsten tolle, eine schöne Scheibe. Kleine Geschichten, die teilweise zum Schmunzeln anregen, verpackt in die erneut beeindruckende Klaviermusik von Ben Folds. Auf einigen Liedern wird Folds noch von Kate Miller-Heidke unterstützt.

Hier hört man nicht rein, hier hört man zu.