Grün ist nicht (mehr) grün

In den Achtzigern sah man sie, die Plakate mit den Blumen drauf, die rote, lachende Sonne dazu. In dem zarten Alter, in dem ich damals war, interessierte ich mich natürlich weiß Gott nicht für Politik und das Weltgeschehen. Da sind andere Dinge wichtiger. Aber diese Plakate, die waren so schön farbenfroh und lustig — das hat ein klein bisschen das Interesse geweckt.

Ich weiß es noch, ich war irgendwo mit Muttern unterwegs, wir kamen an so einem Plakat vorbei und ich fragte, was das denn solle? Als Antwort kam sinngemäß etwas wie: „Das sind die Grünen, eine neue Partei. Die sind gegen Atomkraft, daher die Sonne und sie sind irgendwie seltsam (glaube, das Adjektiv war anders), die sitzen Kinder säugend und strickend im Bundestag herum.“ Das war’s an Informationen. Viel anfangen konnte ich damit nicht.

Im Laufe der Zeit wurde die Wahrnehmung der Grünen bestätigt. Ich kenne noch die Bilder von so einem Typen in Jeans und Turnschuhen — später sollte er Grüner Außenminister und Vizekanzler unter Schröder werden —, der zwischen lauter Anzugträgern stand. Das Bild von Politik war schwarz und nicht nur wegen der Kohl-Ära, sondern einfach, weil man stets dunkle Anzüge sah. Politik wirkte so schon nicht gerade freundlich und interessant. Aber das Bild war gelernt, Politik ist ernst, trocken und konservativ. Da nun diese Pulliträger zu sehen, das war selbst für einen Uninteressierten zumindest spannend.

Zeiten ändern sich

Dieses Bild der Grünen hängt im Kopf fest, nicht nur in meinem. Lange galten die Grünen als „Gegenpartei“, Menschen, die etwas bewegen wollten, der Name der Partei sollte Programm sein. Eine Partei, die sich für die Natur einsetzt. Und — hey — wir leben in dieser Natur, also ist es auch nur gut, dass jemand auf dieser trockenen, kapitalistischen Ebene ein Wort dafür einlegt. Die Grünen waren Stress, Kontra und „das gute Gewissen“.

Das war einmal. Schon lange kann man nicht mehr anhand der Kleidung erkennen, wo die Grünen im Bundestag sitzen. Kein Pulli, der hervorsticht, kein Kind an des Mutters Brust. Diese Grünen sind dahin.

Was wir nun haben, ist eine „ganz normale“ Partei, wie alle anderen. Grün ist nur noch der Name. Gerne rege ich mich darüber auf — denn, wie schon erwähnt, eine Art „grünes Gewissen“ ist durchaus wünschenswert, Stunkmacher, Aufhalter. Die Politik der Grünen ist jedoch im Hier und Jetzt angekommen. Sie sind uniformiert, tragen Anzüge und heulen wie alle anderen mit den Wölfen.

Kohle von BeustEin letztes Aufbäumen gab es noch mit dem legendären, weil mittlerweile zum Hohn verkommenen Wahlplakat „Kohle von Beust“. Damals, vor Schwarz-Grün auf Hamburger Ebene, hieß es, man wolle niemals mit den Schwarzen zusammen arbeiten. Das ginge gar nicht! Doch die „Macht ist eine geile Sau“ und bringt so viel Spaß — vermutlich auch Geld. Also wurde alles über Bord geschmissen, was für Grün stand. Man ging in die Koalition mit dem Kohle-Beust, hörte sich ein wenig zu Moorburg an, protestierte halblaut und gab dann, als das Kohlekraftwerk des Haus- und Hofstromlieferanten Vattenfalls abgenickt wurde, nur zu „Man habe es nicht verhindern können“. Man hätte sich das aber auch vorher denken können … Und man hätte dann zumindest saubere Finger behalten, wäre man die Koalition nicht eingegangen. Doch die Macht, die Macht — sie schmeckt so süß. Das gab uns schon die ehemalige Verbraucherschutzministerin Künast zu verstehen. Man wolle Macht — um jeden Preis, schließlich sei der Machtinstinkt der Grünen groß.

Atomaustieg, Nein Danke

Der Preis, der bezahlt wurde, ist der Verlust der eigenen Geschichte. In dem sehr schön geschrieben ZEIT-Artikel über die Geschichte der Atomenergie in Deutschland und ihre schweren Anfänge, steht ganz am Ende:

Im Herbst des Jahres 2010 ist der Geist hinter den Kühltürmen verschwunden. Jetzt ersetzt ein neuer Atompakt den alten: der Ausstieg aus dem Ausstieg.

Vor zehn Jahren einigten sich die Grünen zusammen mit der SPD — man regierte gemeinsam — auf den Ausstieg aus der Atomwirtschaft. Nun rudert man zurück. Irgendwie. Man ist nicht wirklich gegen eine Laufzeitverlängerung, verteidigt den Ausstieg aber auch nicht wie einst. Bundestagswahlen stehen bevor, da muss man sich mit dem Auge auf die Macht, jedes Türchen offen halten. Schwarz-Grün geht auf Bundesebene nicht, so heißt es, aber das sagte man auch vor Schwarz-Grün in Hamburg. In der Hansestadt forderte die Opposition eine Klage gegen die Laufzeitverlängerungen der Frau Merkel. Die Grünen, „gefangen“ im gemachten, kuscheligen Bett, stimmten indirekt der Verlängerung der AKW-Laufzeiten zu.

Korrektur des Bildes

Wir brauchen eine Politik, die Abmachungen einhält, die nicht vor der Wirtschaft ständig auf die Knie geht und die sich für die Natur einsetzt. Der Name suggeriert eine Verbindung zu Baum, Wiese und frischem Wasser, doch — und das müssen wir lernen — die Grünen sind nicht mehr grün. Wenn das verstanden ist, spart man sich wenigstens ein wenig Magensäure, die man sonst wegen all der enttäuschten Hoffnungen produzieren würde.

Schade ist es dennoch drum. Schade auch, weil dieses Verhalten bei der nächsten Wahl bestimmt nicht abgestraft wird …

Kommentar (1)

  1. Und dabei haben die GRÜNEN ja mit ihrem Atomausstieg am St. Nimmerleinstag auf Bundesebene es vor zehn Jahren ja erst möglich gemacht, dass SchwarzGeld jetzt zurückrudern kann. Das Schlimme an den GRÜNEN ist, dass sie seit gut zehn Jahren nichts anderes tun, als die sozialen Bewegungen nach einer Regierungsbeteiligung zu verraten, ob das die Friedensbewegung 1999 mit dem Kosovo-Krieg war oder kurz danach die Anti-AKW-Bewegung mit dem sog. Atomkonsens. Diese sozialen Bewegungen jedoch haben sie einst in die Parlamente gebracht. DIE GRÜNEN haben ihre Wurzeln gekappt, leben von ihrem Nimbus und sind längst zu einer Vollkorn-FDP geworden, zu einer reinen funktionalen Partei zur Mehrheitsbeschaffung zwischen beiden Blöcken. Nicht von ungefähr kommt es, dass GRÜNE aller Ebenen unisono inzwischen immer singen, es gehe ihnen immer und jederzeit ja zunächst um die Umsetzung ?grüner Inhalte?. Ja, wo denn? Im Saarland mit der zusammengekauften Politmafia? In NRW mit den EU-Steinkohlesubventionen, die der grüne Umweltminister verlängern will? In Hamburg mit Elbvertiefung und Hafenspange? Gut gelacht.
    Nichts anderes als Verrat wird auch bei ?Stuttgart 21? passieren (siehe hierzu: http://tinyurl.com/35vroos bei FREITAG). Wir sollten uns stets in Erinnerung rufen: Den größten Kahlschlag in 130 Jahren deutscher Sozialpolitik haben nicht etwa ? wie es eigentlich zu vermuten wäre ? die bürgerlichen Parteien vorgenommen, sondern ihre neoliberalen Klone in Form von SPD und GRÜNEN. Dass sie jetzt gegen die Pseudo-Erhöhung von 5 Euro bei Hartz4 mehr oder minder laut maulen, ist für jeden als doppelbödige Strategie ganz offenkundig, es sei denn, er leidet unter Amnesie oder kognitiven Dissonanzen. In BaWü schicken sich die GRÜNEN sogar gerade an, der besonders atomfreundlichen Landesregierung wieder an die Macht zu verhelfen, denn sie haben beschlossen ? um sich den Weg zur CDU offenzuhalten ? ohne Koalitionsaussage in den Wahlkampf zu gehen. ^^

    Samstag, 2. Oktober 2010 um 21:10 #