Zum Thema Guttenberg hatte ich bereits einen großen Artikel geschrieben, aber der wurde in die Tonne getreten. Stattdessen ein neuer Beitrag mit einer etwas anderen Note. Matthias Lohre hat es in seinem taz-Kommentar sehr schön angesprochen. Da haben wir einen Minister, der sich ständig widerspricht, der vor laufender Kamera dem Volke beweist, dass man seine Meinung heutzutage nicht gefestigt haben muss, und dass man jederzeit „umkippen“ kann. Doch das ist nicht das wahrlich Interessante an der Geschichte Guttenbergs.
Gut, der Minister hat geistiges Eigentum gestohlen, es abgestritten, dann, als es nicht anders ging, ein wenig zugestimmt, schließlich ganz. Der Luftangriff in Kundus war zunächst angemessen, dann wieder nicht. Der Kapitän der Gorch Fock sollte nicht entlassen werden, dann, nachdem sich das Boulevardblatt, das ihn offensichtlich fördert, bei ihm gemeldet hatte, wurde der Kapitän doch entlassen. Nur um wenig später wieder nicht entlassen zu sein, sondern nur vorläufig beurlaubt. Ein ewiges Hin und Her bei dem Minister. Extra 3 vermutet ein Doppeltes Guttchen, daher die vielen Widersprüche.
Der normale Menschenverstand würde sagen: Weg mit dem Minister! Doch das deutsche Volk … es ist anders. Fragt man auf der Straße, reden sie immer noch positiv über den Mann.
Kürzlich kam ein Kollege freudestrahlend auf mich zu und meinte, die Pro-Guttenberg-Gruppe auf Facebook habe viel mehr Fans als die Gegner des Ministers. Das sei toll. Der Mann könne, so mein Kollege, auch einen Menschen umbringen, das Volk würde ihn immer noch lieben. Woraufhin ich nur die Frage stellte, was das über das Volk aussagt? Ja, ich kann es mir durchaus vorstellen, dass auch so eine grausame Tat mit einer „ehrlichen Entschuldigung“ — wie er sie nach der Abgabe seines Titels von sich gab — verziehen werden kann. Jeder macht mal Fehler … Nein! Hier stimmt etwas nicht mit dem deutschen Volk.
Was hat der Mann, dass die breite Masse hinter ihm steht? Die Schmalztolle und das Grinsen können es nicht sein. Ich denke, zwei Faktoren sind hier zu nennen: Den Deutschen sind Titel sehr wichtig. Eine Bekannte von mir, die ihren Doktor in der Chemie hat (ehrlich und hart erarbeitet, nicht kopiert!), hatte nach dem Kauf der Eigentumswohnung das Dr. vor ihrem Namen auf dem Klingelknopf stehen. Darauf angesprochen, meinte sie, sie wollte das gar nicht, aber dem Makler sei es wichtig gewesen, weshalb er die Abkürzung ohne sie zu fragen vor ihren Namen schreiben ließ. Frei nach dem Motto: Schaut her potenzielle Kunden. Hier leben auch Doktoren! *uhhh*
Die doch sehr hartnäckig und geradezu aggressiven Befürworter des Ministers — Schon mal aufgefallen, wie schnell die um sich beißen, wenn man „ihren“ Minister angreift? — sie führen in der Debatte oft und gerne an, die Gegner seien doch nur neidisch auf seinen Doktortitel und man möge sich doch mal an die eigene Nase fassen. Bestimmt habe man früher auch mal geschummelt.
Bitte was? Zum einen geht es nicht darum, dass man ihm den Doktortitel nicht gönnt, weil man selber keinen hat. Es geht darum, dass er sich den Titel erlogen hat! Der CSUler hat geradezu kriminelle Energien an den Tag gelegt, um sich eine Titel zu erschwindeln. Wenn das Otto Normalbürger gemacht hätte (oder — Gott bewahre — einer von der Opposition), dann würde gleich der Scheiterhaufen angezündet werden ob dieses Diebstahls. Nicht beim Ex-Doktor.
Und wer in der Diskussion den Vergleich zieht, zwischen „Du hast bestimmt als Zehnklässler auch mal geschummelt“ und „Da hat ein Erwachsener die Doktorwürde durch Diebstahl geistigen Eigentums gestohlen“ — wer so argumentiert, der vergleicht auch Äpfel mit U-Booten und scheint richtig blind zu sein.
Es geht nicht darum, dass man neidisch auf den Doktortitel ist. Hey, wenn man einen haben wollte, hätte man sich nach dem Studium auch noch mal drei Jahre (!) hinsetzen können. Es geht um das WIE der Minister an den Doktortitel gekommen ist und dass das wahrlich keine Vorbildfunktion ist. Hat das etwas mit Ehre und Würde zu tun, die man gerne sehen würde?
Meiner Meinung nach kommt dann noch hinzu, dass die Deutschen adelsgeil sind. „Demokratie ist doof. Wir sehen doch ständig, dass die Politiker nur an sich und ihre Pfründe denken. Ach, wie toll wäre doch wieder die Monarchie … Uh, da ist ein Adliger in der Politik! Wie schön!“
Dass dieser Adlige aber in drastischer Form jeden Anstand mit den Füßen getreten hat — das wird vor lauter Geilheit nicht gesehen. Die Sehnsucht nach einem Heilsbringer (oder „Führer„) scheint zu groß zu sein.
Ihr Deutschen, ihr seid mir im Moment noch unheimlicher als sonst. Was diese gesamte Geschichte über die Medien aussagt, die oftmals klar Meinungen bilden, will ich gar nicht erst ansprechen. Das ist ein anderes Thema.
Als abschließendes Wort nur dies: Regte ich mich noch über die Verzahnung zwischen positiver Berichterstattung in Deutschlands größtem Boulevardblatt und den bevorstehenden Bundeswehr-Werbungen in eben diesem Blatt auf, meinte ein Bekannter zu mir: „Wo findet man am besten Dumme, die freiwillig zur Bundeswehr und in den Krieg gehen, Menschen, die nicht selbstständig denken wollen? Eben in dem Blatt, dass diese Menschen ‚züchtet‘ …“ Dazu konnte ich auch nichts mehr sagen.
Kommentar (1)
Ich bin nu weiß Gott kein CDU Fan, CSU Fan noch viel weniger. Und auch ich finde diesen Minister sympathisch. Auch ich sehe seine Fehler nicht als so drastisch, um ihn geteert und gefedert aus der Politik zu jagen. Du hast mit vielem was du sagst sicherlich vollkommen Recht. Und trotzdem ist mir der Guttenberg lieber als manch anerer, den wir schon in diesem Land an seiner Position hatten.
Warum er mir lieber ist? Keine Ahnung, sag du es mir! Eines kann ich dazu nur beisteuern: Deine Hauptargumente greifen bei mir nicht. Ich bin weder n Adelsfan noch titelgeil. Ich bin aber auch kein Gegner, was letztlich auch ein Extrem wär. Diese beiden Themenblöcke sind mir einfach nur egal…
Was mich an diesem ganzen Thema stört ist nur die Art, wie es einerseits totgeschwiegen und andererseits aufgebauscht wird.