Jeremy Keith spricht mir aus der Seele mit seinem Vortrag The Power of Simplicity. Diesen hielt der Brite auf der border:none-Konferenz im Oktober in Nürnberg. Er benötigt einige Minuten um in die Puschen zu kommen, dann geht er aber in die Vollen und ich saß vor meinem Rechner und habe ihm applaudiert.
Was wollen wir im Internet? Runtergebrochen ist das Internet dazu da, um uns Informationen zu geben. Entweder holen wir uns Informationen ab oder wir teilen sie. Das ist das, was das Internet ausmacht. Die einfachste Form der Informationsverteilung ist, wenn wir unseren Text in ein strukturiertes HTML-Dokument einfließen lassen. In irgendeinem Browser geöffnet, können wir die Information abrufen, egal wie hoch oder breit, neu oder alt der Browser ist. Als nächster Schritt kommt das „Anmalen“ mit Hilfe von CSS. Wie soll der Text aussehen? Wo steht er innerhalb meines Browserfensters? CSS ist schön – die Information wird dadurch aber nicht aktueller oder besser oder richtiger.
Als letzte Schicht der „Plattform Web“ — Jeremy mag den Begriff nicht und erklärt auch warum — kommt JavaScript oben drauf: lasse etwas animieren, einen Layer aufgehen, ein fehlerhaftes Formularfeld optisch hervorheben. Auch hierdurch wird die eigentliche Information nicht besser. Lediglich die Darstellung wird erweitert.
Die Herrschaften, die die so genannten Native Apps „dem Web“ vorziehen, weil „das Web“ zu inflexibel sei, die schauen die die gesamte Situation aus der falschen Richtung an, so Jeremy — und ich kann nur zustimmen. „Native Apps“, also Programme, die für ein bestimmtes Betriebssystem geschrieben sind — namentlich mobile Betriebssysteme wie Apples iOS oder Android, aber auch das mobile Windows oder gar Blackberry — lassen sich pixelgenau vermessen, wobei auch das mit den unterschiedlichen Geräten mittlerweile immer schwerer wird. Das „native Web“, also das, was wir lange Zeit ausschließlich auf dem Desktop-Browser betrachtet haben, kann da viel mehr. Es ist einfacher und dadurch viel flexibler, viel mächtiger als es eine „native App“ jemals sein könnte. Die Information wird auch nicht besser, wenn wir sie über den Monitor unseres Smartphones wischen können.
Noch mal: Es geht um Information. CSS macht diese schön. Wobei das nicht einmal pixelgenau sein muss — es soll gar nicht pixelgenau sein! Das ist die Macht, die man beim Gestalten von Informationen hat, arbeitet man „im Web“. Um den höchsten Grad an Flexibilität zu erreichen, also möglichst „alle Geräte da draußen“ anzusprechen, muss man nicht komplizierter denken, sondern einfacher.
Auch richtig: Schaut man sich den Vortrag an, kann man nur zustimmen. Lustigerweise kommt dann stets ein „Aber …“ auf. Frei nach dem Motto Ja, ich finde den Ansatz toll und richtig, aber wie soll ich das meinem Chef/Kunden klarmachen?
. Tja, darauf kann Jeremy nur antworten, dass er nicht Deinen oder meinen Chef kennt. Daher ist es Aufgabe des Entwicklers, für seine Überzeugung einzutreten, sich gerade zu machen und auch den Geldgebern das Prinzip Internet deutlich zu machen. Das wird dann wohl der schwerste Teil des Entwicklerdaseins …