Kunst im Mitmach-Web

Ein BarCamp ist eine sog. Unkonferenz. Es gibt nicht eine Institution oder Firma, die einlädt und die Redner organisiert. Die Organisatoren eines BarCamps sorgen für die Räumlichkeiten, die Technik sowie das Sponsoring – wenn die Lokalität z.B. etwas kostet oder Material verbraucht wird. Die Gesprächsthemen werden vor Ort von den Teilnehmern bestimmt.

Eigentlich heißt es, jeder solle sich irgendwie ins BarCamp einbringen. Das kann bedeuten, dass man an der Organisation beteiligt ist, einen Vortrag (auch Session genannt) hält und als Minimalanforderung, sich in eine Diskussion mit einbringt. Ursprünglich und auch jetzt noch vorherrschend, sind Themen rund um das Web 2.0, es gibt allerdings auch andere Themen, die auf einem BarCamp behandelt werden.

So zum Beispiel das am Wochenende in Hamburgs abgehaltene ArtCamp. Dabei waren die Themen nicht vorgegeben, am nahsten lag jedoch eine Kombination aus Kunst und Web 2.0. Dazu habe ich auch einen Vortrag gehalten. Mehr so Grundlagen.

Es hätte jedoch auch völlig anders kommen können. Es hätten sich ausschließlich Künstler treffen können, die sich austauschen. Tatsächlich waren nur sehr wenige Schaffende unter den Gästen. Ein älterer Herr, der schon seit 40 Jahren Künstler ist und wissen wollte, wie er seine Kunst ins Netz bekommt, war am Sonnabend anwesend. Drei Künstler von LOMU praktizierten ebenfalls am Sonnabend vor Ort eine kleine Kunstaktion. Am Sonntag war noch die Kunsttheoretikerin Zorah Mari Bauer als Vortragende anwesend. Wenn sonst noch Künstler anwesend gewesen sind, haben sie sich gut versteckt gehabt.

Die Frage, warum überhaupt so wenige Interessierte erschienen sind, kann mit der Tatsache zu erklären sein, dass es Probleme mit der Raumfindung gegeben hat. Das mag den einen oder anderen BarCamper verunsichert haben, so dass er von der Veranstaltung fernblieb. Schade.

Weshalb nun so wenige Künstler anwesend waren…? Das mag an der Natur des Künstler gelegen haben. Hier ein Stereotyp: Ein Künstler ist ein Mensch, der Kunst schafft. Klar. Dabei ist er exzentrisch, von seiner Kunst überzeugt, kann stundenlange Monologe über das Wie und Warum seiner Kunst halten und er ist sehr Ich-bezogen. Ein Künstler ist jemand, der in der Regel einsam vor seiner Staffelei, dem Holzklotz oder seiner Schreibmaschine steht (bzw. sitzt). Einzig die Musiker sind noch kommunikativ. Der bildende Künstler ist ein Einzelkämpfer. Und das mag der Grund sein, warum kein Künstlerandrang zu erwarten war. Wieso sollte sich so ein Künstler mit anderen Künstlern austauschen? Er wäre ja nicht ganz richtig im Kopf, würde er seine Sichtweisen oder Techniken verraten. Und überhaupt: Warum soll man über Kunst reden, wenn man sie macht!?

Es hätte ein Wochenende mit Künstlern sein können, die sich zwei Tage lang über Strömungen und die Zukunft der Kunst unterhalten hätten. Es hätte aber auch ein Mix sein können aus Kunstschaffenden und „der üblichen Web-Bande“.

Das Web 2.0 ist ein „Mitmach-Web“. Schon ein Kommentar zu einem Blogbeitrag oder z.B. unter einem Foto in einer Community ist Inhalt, der vom Benutzer ins Internet gestellt wird. Man kann, auch wenn man nichts mit der Plattform zu tun hat, auf der man sich gerade befindet, Inhalte produzieren. Dies ist in der Regel in schriftlicher Form durchgeführt.

Ein Mitmach-Web für Künstler? Wie sollte das aussehen? Es müsste eine Plattform sein. Das bedeutet aber, dass alles digital vorliegen müsste. Die Künstler müssten also ihre geschaffenen Werke irgendwie digitalisieren. Stellt sich die Frage, ob sie das können? Wir dürfen nicht vergessen, dass nicht jeder Mensch so selbstverständlich mit dem Medium Internet umgeht, wie die „Web-Bande“. Vielleicht haben wir einen Menschen vor uns, der irrsinnig gut mit dem Pinsel umgehen kann – aber vom Computer hat er schlicht keine Ahnung. Eventuell auch gar kein Interesse daran.

Selbst wenn das Bild digital vorliegt – was dann? Gibt man so einfach sein geistiges Eigentum her? Eine Kopie seines handwerklichen Könnens? Und lässt man dann andere daran „rumpfuschen“? Eine ganz ungewohnte Idee. Mit Plastiken, allem Dreidimensionalen, geht das zudem gar nicht. Für so eine Mitmach-Kunst müsste man sich vor Ort treffen. Jeder müsste Pinsel und Farben in der Hand haben und vor einer Leinwand stehen. Oder jeder hat einen Beitel und Hammer in der Hand, vor einem riesigen Stück Holz stehend. So könnte gemeinsame Kunst entstehen. Viele Menschen die an einem Kunstwerk arbeiten, das man nachher anfassen kann und um das man herumgehen kann. Vielleicht machen das die Kinder noch im Kindergarten. Das ist jedoch nicht die Art, wie ein Künstler arbeitet.

Eine Art von Mitmach-Kunst im Internet waren vor einigen Jahren die sog. Graphic Battles, die man in Foren antraf. Meistens hatte ein Mensch mit Erfahrung im Umgang mit einem Grafikprogramm einen anderen herausgefordert. Es wurde ein Bild gepostet und der „Angegriffene“ musste dieses im Grafikbearbeitungsprogramm verändern, postete dieses wieder und dann war wieder der erste Designer dran. Entweder so, oder es gab auch die endlosen Aneinanderreihungen von Bildern durch mehrere Leute. Ein Bild wurde genommen und ein neues, in seinen Abmessungen vorgegebenes Feld/Bild musste rechts vom Ursprung angepasst werden. In beiden Fällen lagen die Bilder allerdings alle schon digital vor und im Grunde war es ein „Guck mal was ich alles mit dem Grafikprogramm kann“-Wettstreit. Gut, Kreativität war auch gefragt. – Vergangenheitsform übrigens deshalb, weil ich arge Schwierigkeiten habe, heute solche Battles zu finden. Es gibt sie aber noch.

Die oben ganz kurz erwähnte Gruppe LOMU macht, sofern ich meinen Privatdozenten richtig verstanden habe, so etwas wie Mitmach-Kunst im realen Leben, also außerhalb des Internets. Bei den Aktionen des siebenköpfigen Teams aus Hamburg St. Pauli werden auch andere Künstler, Kunstinteressierte oder einfach (was wohl vorkommt, wenn auch selten) Passanten mit einbezogen. Entweder kommt bei einer Aktion ein „Produkt“ heraus oder die Aktion an sich ist Kunst und hat zur Folge, dass die Beteiligten sich Gedanken zu einem Thema machen (können).

Das Thema ließe sich noch sehr breit auswalzen. Abschließend möchte ich ein paar Punkte zusammenfassen:

  • Künstler sind eigenbrödlerisch und klammern sich an ihrer Individualität.
  • Dadurch ist das „Kunstmachen“ in der Gemeinschaft nicht oder nur sehr schwer möglich.
  • Dreimensionale Kunst im Internet ist nicht möglich.
  • Zweidimensionale Kunst gemeinschaftlich zu bearbeiten erfordert:
    • Technische Fähigkeit auf der Seite des Künstlers
    • Die Bereitschaft zu teilen
    • Eine entsprechende Technik (Plattform, Community, Flash-Anwendungen o.ä.)
  • Zweidimensionale Kunst die gemeinschaftlich geschaffen wird, gab es bereits. Allerdings waren/sind das hauptsächlich (Computer-)Grafiker, die sich dort austoben. Ob diese einen Anspruch an Kunst haben, ist fragwürdig, bzw. eine Definitionssache.
  • Mitmach-Kunst im realen Leben scheitert oft an den beiden ersten Punkten.
  • Aufgrund der Eigenbrödlerei und einer „Verkopftheit“ waren entsprechend wenig Künstler auf dem ArtCamp.

Neue News

Adresszeile von FirefoxOh, was sahen meine Äuglein denn heute morgen beim Öffnen des Browsers? Meine Startseite hat sich verändert. Google News ist jetzt viel aufgeräumter. Gab es früher noch zwei Spalten Nachrichten, ist es jetzt nur noch eine. Eine Spalte und rechts (meistens) eine einzige Nachricht pro Ressort, mit einem großen Bild.

Wirkt offener, wenn man jetzt auch mehr scrollen muss. Mit dem Facelift der Seite haben sie sich übrigens auch für die News-Seite ein neues Favicon gegönnt.

Wobei… — So ganz stimmt das nicht. Das Facelift ist im Firefox zu sehen, nicht aber in Safari, Camino, Flock oder Opera. Also eigentlich müsste die Überschrft dann „Neue News für Firefox“ heißen.

Community-generierter, frei verfügbarer Font

Wer möchte nicht Spuren hinterlassen? Nicht die, die wir sowieso an jeder Ecke im Internet hinterlassen. Auch nicht die, die an jeder Ecke von Kameras in unseren Städten aufgenommen werden. Auf den Mond kommt man nicht so einfach. Wie wäre es mit der Teilnahme an der Entwicklung einer freien Schrift?

Auf Bittbox kann man sich an dem Projekt der gemeinsamen Schriftgestaltung beteiligen. Also den Filzer gezückt, einen freien Buchstaben oder eine freie Zahl ausgesucht und gestaltet. Dann ab an Bittbox und mit Glück erscheint der eigene Buchstabe in dem Zeichensatz. Das nenne ich doch mal Mitmach-Web.

Unterschrift

Nach dem ArtCamp bin ich im Grindelhof an den Unterschriftensammlern von Eine Schule für Alle vorbeigefahren. Genau die, die ich gesucht hatte. Die Dame, die für das Volksbegehren Unterschriften sammelte, war – was vermutlich nicht ungewöhnlich ist –, eine Lehrerin. Nachdem ich meine drei Kreuze gemacht hatte, kamen wir noch ein wenig ins Gespräch.

Zunächst gab es ein paar organisatorische Fragen von meiner Seite zu beantworten: In drei Wochen, bis zum 9. Oktober, müssen 61.000 Stimmen gesammelt werden. Wie denn die Aussichten seien wollte ich wissen. Nicht schlecht, so die Lehrerin. Es gäbe jedoch Widerstand. Viele Gymnasiallehrer wären unter den Ablehnern der Schule für Alle.

Die Schule für Alle, so vermutete ich und so wurde es auch bestätigt, ist sowas wie eine Gesamtschule. „Nur besser“, meinte mein Gegenüber. Die Betreuung der Schüler solle intensiver sein. Das würde aber auch kleinere Klassen und somit mehr Lehrer bedeuten, vermutete ich. Dem sei so, bestätigte die Unterschriftensammlerin. Außerdem müsse die Ausbildung der Lehrer, die, das weiß ich, in Hamburg grottig ist, verbessert werden.

Warum sind dann so viele Gymnasiallehrer gegen eine Schule für Alle? Nun, ein Lehrer für die Oberstufe Allgemeinbildende Schulen „genießt“ in Hamburg, wie wohl auch in anderen Bundesländern, eine etwas intensivere Ausbildung in seinen Fächern, bekommt mehr Geld als ein „Grumi“ (Grund- und Mittelstufenlehrer) und hat „pflegeleichtere Schüler, die ihm gehorsam an den Lippen hängen“, so meine Gesprächspartnerin. Stimmt. Die lieben, braven, fleißigen Gymnasialschüler… Wenn man sich auf solche Musterschüler eingeschossen hat, dann ist es natürlich ziemlich blöde, wenn man auf einmal langsame, störende Schützlinge vor sich hat und sich auch noch um die kümmern muss, denn das ist einer der Grundgedanken bei der Schule für Alle: jedem die Chance geben eine gute Ausbildung zu bekommen. Dann geht es nicht mehr, die „schlechten Schüler“ einfach bequem abzuschieben abzustufen.

Vorbei mit dem leichten Leben. Auch müssten die Lehrer selber wieder die Schulbank drücken, weil die neuen Anforderungen neues Wissen verlangten. Das wäre ganz unangenehm. Fortbildungen. Ein Graus.

Weiter meinte die Dame, dass ein gerne verwendetes „Gegenargument“ zur Schule für Alle sei, wenn Menschen kämen und meinten, eine solche Schulform würde a.) doch nur die Qualität mindern und dadurch b.) den privaten Schulen Vorschub leisten.

Na, bei solchen Argumenten werde ich doch gleich stutzig. Mehr private Schulen? Das kann sich nicht jeder leisten! Somit würde, wenn denn die Privaten wirklich eine bessere Ausbildung garantieren würden, die soziale Schere mal wieder ein Stück weiter geöffnet werden. Aber das sind wir schon jetzt gewohnt: Wer in einem wohlhabenden Stadtteil wohnt, hat auch eher die Chance einen Abschluss zu machen. „Kein Geld, keine Bildung“ muss man daraus schließen. Von daher wäre eine Schule, auf der alle die gleichen Chancen haben, sehr wünschenswert.

Zumal, liebe Kritiker, es ja nicht so ist, dass alle Schüler mit unterschiedlichen Lerngeschwindigkeiten in eine Klasse gesteckt und sich dann die guten Schüler langweilen würden. Betrachtet man sich eine Gesamtschule, gibt es das Kurssystem: Ist ein Schüler in einem Fach nicht so gut (z.B. der Klassiker Mathematik), dann lernt er in einem „schwächeren“ Kurs – hat aber dennoch die Möglichkeit, sich hochzuarbeiten und doch noch in einen leistungsstärkeren Kurs zu gelangen. Wenn er oder sie bereit dazu ist. Einfach mal die Damen und Herren an den Unterschriftensammelstellen fragen, wie sich die Schule in Hamburg verändern würde. Und dann die Unterschrift leisten.

Übrigens: das vom schwarz-grünen Senat befürwortete Schulmodell der Primarschule ist nicht der Weisheit letzter Schluss:

Es wird einen Ansturm auf die Primarschulen geben, die – in welcher Form auch immer – mit Gymnasien zusammenarbeiten. Hier wird sich zeigen, dass der gute Gedanke des längeren gemeinsamen Lernens durch die aktuelle Schulpolitik nicht gefördert, sondern unterlaufen wird.

Dies sagte SPD-Schulexperte Ties Rabe und bestätigt damit nur meine Vermutung. In dem Fall würde übrigens die Qualität auf den Gymnasien auch nicht unbedingt steigen, denn nicht jeder Schüler auf einem Gymnasium gehört auch dort hin …