„Ich wurde gezwungen Facebook zu benutzen“

Es gibt Momente, da kann man nur ganz kräftig mit dem Kopf schütteln. Ein Bekannter erzählte kürzlich von einem Vorstellungsgespräch, an dem er teilnahm. Eine junge Frau bewarb sich in der Firma und er saß auf der anderen Seite des Tisches.

Auf die Frage „Welche Seiten besuchen Sie im Internet?“ sagen die meisten — wenn nicht alle — frischen Ex-Schüler „Facebook“. Da gibt es keine Nachrichtenseiten, keine Designseiten, keine Programmiererseiten. Das Internet besteht für diese und vermutlich die darauf folgende Generation nur aus einer Seite. Vielleicht noch die vielen verlinkten, lustigen Seiten, aber die sind nur Beiwerk, um das Fratzenbuch mit Leben zu versorgen.

Nun gab also die junge Bewerberin zu, sie würde diese blaue Socialmediaplattform benutzen. Aber noch nicht lange, so fügte sie hinzu. Eigentlich wollte sie da gar keinen Account haben, aber sie wurde in gewisser Weise dazu gezwungen. Große Augen bei den Interviewführenden. Gezwungen?

Wie gesagt, eigentlich wollte sie mit Facebook nichts am Hut gehabt haben. Das zu hören ist ja schon mal gut. Aber ihr Lehrer (!) war es, der sie dazu gezwungen hat. Der hat nämlich Facebook dafür benutzt, Termine, Stundenverlegungen und Hausaufgaben über die Plattform abzuwickeln. „Am Ende des Jahres waren dann doch alle bei Facebook“, so die Bewerberin.

WTF?

Da redet man von Medienkompetenz, von fragwürdigen Datenschutzbestimmungen, von Herausgabe von persönlichen Daten und der Lehrer benutzt tatsächlich das Fratzenbuch, um seine Kommunikation mit den Schülern darüber abzuwickeln? Klar, man hat sie da ja alle „auf einem Haufen“ — aber eben auch nicht. Wenn Schüler Nein zum Fratzenbuch sagen, dann muss der Lehrer gefälligst eine andere Lösung finden!

Wie heißt es doch so richtig: Wenn es nichts kostet, bist Du das Produkt. Das stimmt bekanntlich bei Facebook absolut. Somit könnte man sagen, der Lehrer hat seine Schüler verkauft. Wo leben wir hier eigentlich?

Einsteigekultur

Die Hamburger sind nun seit mehr als einem halben Jahr dazu angehalten, beim Einsteigen in einen Bus, vorn. einzusteigen. „Bitte die Fahrkarte vorzeigen“ lautet die Devise. Dass es manchen Busfahrern herzlich egal ist, ob man vorn. oder doch hinten einsteigt, und dass der Großteil der Busfahrer gar nicht auf das vorgezeigte Stück Papier schaut – okay. Es gibt ja auch einige wenige Fahrer, die lassen einen Konserven-Spruch los, der die Hinteneinsteiger auffordert, noch einmal nach vorn. zu kommen. Einmal sah ich sogar einen Buslenker, der ist aufgestanden und nach hinten gegangen, um den Falscheinsteiger persönlich auf sein Fehlverhalten hinzuweisen.

Was die Hamburger jedoch überhaupt nicht drauf haben, das ist das Bilden einer Schlange. Zwei (und zwei sind noch keine Schlange), vielleicht drei Leute schaffen es, sobald mehr Passagiere vorhanden sind, artet es in den guten alten „Kampf der Ellenbögen“ aus, wenn der Bus ankommt. Es liegt den Hamburgern nicht in den Genen, eine Schlange zu bilden. Das bekommt man wohl auch nicht in sie hineingeprügelt. – Allerdings schätze ich mal, in anderen Städten schaut es nicht viel besser aus.

Wie jedoch so gar nicht geht, dass sind die Herrschaften, die beim Einsteigen eine Abkürzung nehmen. Auf der Autobahn wären das die, die über den Standstreifen überholen.

Wenn man in den Bus vorn. einsteigt, gibt es eine Art Schleusensystem zu passieren. Links geht man – die Karte vorzeigend – in den hinteren Teil des Busses. Rechts geht man, will man zum Busfahrer, um sich eine Fahrtberechtigung käuflich zu erwerben. Nun gibt es aber Sitzplatzterroristen, die schön rechts an der Schlange vorbeiziehen und dann die „Schranke“ aufstoßen, um ihrerseits nach hinten, dem heißbegehrten Sitzplatz entgegen zu steuern. Dass sie dabei den Leuten – und in diesem Fall bin auffällig oft ich diese Leute – die Schranke in den Oberschenkel rammen, das scheint diesen Kriminellen völlig egal zu sein.

Was wäre es doch schön, wenn die Passagiere nicht alle in Hektik und Panik in die Busse stürmten, als wären sie im Kampf um kostbare Essensressorcen. Es geht auch zivilisiert, ihr Idioten!

Wie ich den Fall erlebte

Ist es sicher aus dem Versteck wieder rauszukommen? Der Tag nach dem „Tag danach“ sollte gerade im schnelllebigen Internet genug Zeit sein, um einen sicheren Abstand zwischen sich und den Anderen zu bringen. Heute wird wohl niemand mehr nach dem Mann suchen, der aus einem Ballon gefallen ist. Und am „Tag danach“ wollte ich nichts zu dem Thema posten. Die Stimmung war zu geladen.

Kommen wir gleich zum Punkt: Ich fand den Sprung sterbenslangweilig. So. Nun ist es raus.

Auf einmal brummte die Twitter-Timeline und alle Welt (okay, eher die europäische) schrieb im Minutentakt, wie wahnsinnig spannend das doch alles sei mit dem Rekordversuch und dem Ballon. Links zu Live-Streams gab es einige, also mal auf einen geklickt. Es war wohl gut zehn vor acht Uhr Abends. Da saß ein alter Mann in einem nachgebauten „Space Center“ und ging eine Checkliste durch. Hast Du den Helm richtig auf? Bist Du noch angeschnallt? Oben der Hinweis, wie hoch sich der Ballon mittlerweile befindet. Das ging eine ganze Weile lang. Während ich mich langweilte – weil es passiert ja nichts! – war die Aufregung in meiner Timeline seltsam hoch.

Einzig den Aufnahmen unseres blauen Planeten konnte ich etwas abgewinnen. Der ist nämlich verdammt schön und in 39 Kilometer Höhe sieht man all den Dreck und die Idiotie der Menschen nicht. Das muss wahrlich ein erhebendes Gefühl gewesen sein.

Dann stand der Österreicher auf – und hopste von seiner Plattform. Was folgte war ein freier Fall. Ein Fall, der mich nicht sonderlich gereizt hat. Als der Fallschirmspringer ins Trudeln geriet, fing bei mir auch das Rädchen an sich zu drehen. Neuladen. Er fiel immer noch. Ausgeschaltet.

Buffering a video

Es tut mir leid, aber das war nicht wirklich spannend. Wer sich den Aufstieg drei Stunden lang angetan hat und dabei „absolut aufgeregt“ war, der muss schon lange nicht mehr das Musikantenstadel gesehen haben. Ich meine, so ein Ballon steigt langsam und gemächlich nach oben. Was ist daran spannend?

Dass ich mich in der „sicheren Entfernung von zwei Tagen“ melde, hat u.a. damit etwas zu tun, dass nach dem Rekordversuch die Blogger und Twitterer völlig aus dem Häuschen waren. Schnell wurde es persönlich, wenn man Kritik äußerte. Es gab einen Tweet, der beschrieb, dass man für die 50 Millionen, die der Spaß gekostet hat, in afrik. Hunger hätte lindern können. Egal. Wer etwas gegen dieses „Wahnsinnsereignis“ zu sagen wagte, wurde als „Neidhammel“ beschimpft. Ich wollte nicht von da oben runterspringen, sprich: Ich war nicht neidisch. Also warum dann diese Verallgemeinerung?

Es wurde übrigens erwähnt, der Mann habe fünf Jahre dafür trainiert. Woanders hieß es zehn Jahre. 1.) Ja wie viel denn nun? 2.) Was trainiert man da? 3.) Einen Sponsor zu finden, das kann dauern. Das kann ich mir vorstellen.

Es gab Blogger, die verglichen den Sprung aus 39 Kilometer Höhe mit der Mondlandung ? Äh ? Wirklich? Ich sehe nicht, dass man das vergleichen kann. Auch aus wissenschaftlicher Sicht war das PR- und Rekord-Happening nicht relevant. Es gibt, auch wenn ein Sprecher der Brausefirma in einer Pressekonferenz danach es so verkaufen wollte, keine Erkenntnisse für eine bemannte Raumfahrt. Vielleicht, wie man ein Logo auf einem „Raumanzug“ anbringt. Die einzig wirkliche Erkenntnis ist die, dass man ein solches PR-Werbedings aufziehen kann.

Mein einziger Gedanke, den ich hatte, als ich entspannt auf den Bildschirm schaute: „Was passiert nach dem Absprung mit dem Ballon?“ Immer höher und höher wird er wohl kaum gestiegen sein. Ist er irgendwann runtergefallen? Ist er verglüht? Liegt der Müll irgendwo herum, oder treibt der um die Erde? Das war tatsächlich mein einziger Gedanke.

Glückwunsch für den Rekord, mal nebenbei erwähnt.

Tschüss, Nils

Fern der Heimat, in dem Moment, da ich schreibe. Kurz einen Blick in die Twitter-Timeline und was sehe ich? Nils Koppruch ist gestorben. Das hat mich sehr getroffen. Nun bin ich kein Fan-Boy, das bin ich in all den Jahren des Musikhörens und der „auf Konzerte gehen“ nie gewesen; für keinen Musiker. Aber der Tod dieses Hamburger Künstlers hat mich tatsächlich getroffen. Eine gewisse Traurigkeit überkam mich.

Koppruch „kenne“ ich seit er mit ein paar Kumpels Fink gegründet hatte. Damals gefiel mir nicht alles. Manches war „zu schräg“ oder einfach auch nur zu deprimierend. In den 1990ern wusste ich aber auch nicht, wer die einzelnen Band-Mitglieder waren. Außer Dinesh Ketelsen, den ich noch aus seligen Nationalgalerie-Zeiten kannte.

Erst vor einiger Zeit bin ich dann „wieder“ auf Koppruch gestoßen. Seine Solo-Scheibe Caruso ist einfach schön. Traurig, verspielt, lustig, intelligent – das sind Adjektive, die dazu einfallen.

Ende August 2012 kam die Kooperationsscheibe „I“ heraus, die er mit Gisbert zu Knyphausen unter dem gemeinsamen Pseudonym Kid Kopphausen veröffentlichte (die Rezension liegt noch irgendwo auf dem heimischen Rechner). Auch eine tolle Scheibe!

Nun soll das nicht mehr sein! 46 Jahre ist kein Alter. Als der „King des Pops“ 2009 starb, nahm ich die Meldung mit einem Augen- und Schulterzucken auf. Aber der „kleine“ Koppruch, der Musik mit viel Herz gemacht hat, der wird jetzt schon vermisst. Das tut weh.

Schade, dass Nils Koppruch so früh von uns gegangen ist. Schade, dass es einen guten, deutschsprachigen Künstler weniger gibt.