Umwelthauptstadt: Schmierentheater von CDU und GAL

Na, da mich mein Gefühl doch nicht im Stich gelassen. Wie schon 2009 angemerkt, hat der autofreie Sonntag kaum bis gar keinen Einfluss auf das Fahrverhalten der Hamburger Autofahrer. Wen juckt’s, dass man am Sonntag umsonst mit dem HVV fahren kann, wenn man doch nur im Auto „Freiheit“ genießen kann? Das kann man keinem Deutschen nehmen ?

Von daher ist es eigentlich nur konsequent, wenn man den Nutzen gegen die Kosten (immerhin 375.000 Euro) aufwiegt. Wenn schon keiner den autofreien Sonntag nutzt, braucht man ihn auch nicht bewerben. Gerade wenn man bedenkt, dass Schwarz/Grün (vor allem Schwarz) das Geld zu eigenen Regierungszeiten mit vollen Händen ausgegeben haben (Stichwort: Elbdisharmonie oder die 750.000 Euro für das 1:10-Akustik-Test-Modell der Elbdisharmonie) und nun das Geld im Stadtsäckel nur noch eine Idee ist, ist eine Einsparmöglichkeit dieser Art doch nur zu begrüßen. Deswegen findet der autofreie Sonntag, der für den 19. Juni geplant war, nicht statt.

Doch Nein, es muss rumgeblöckt werden. CDU-Verkehrsexperte Klaus-Peter Hesse bezeichnet die Streichung des SPD-Senats als Offenbarungseid für die Europäische Umwelthauptstadt 2011. Und GAL-Fraktionschef Jens Kerstan fordert gar den Hamburger Bürgermeister auf, den Titel zurückzugeben. Ja, im Schlammschmeißen sind sie groß.

Mal ehrlich, liebe CDU und GAL, „Umwelthauptstadt 2011“ ist und war doch nur ein reiner PR-Gag, eine Feder, mit der Ihr Euch nur zu gerne geschmückt habt. Moorburg oder vermehrter Touri-Schiffsverkehr mit Feuerwerk und Co. (Stichwort: Hamburg Cruise Days) waren doch nun auch nicht gerade die Eckpfeiler für eine „Umwelthauptstadt“. Oder wie schaut es aus mit den Harley Days? Die sollten eigentlich in 2011 nicht stattfinden, weil das aber so schön viele Touristen und Schaulustige in die Stadt spült — zusammen mit 10.000 lauten, stinkenden Motorrädern — wurden sie dennoch zugesagt. Und — Hey! — da wart Ihr an der Macht und brüstetet Euch noch mit dem Titel „Umwelthauptstadt“. Und jetzt so ein Geblubber von wegen Titel zurückgeben und Offenbarungseid? Das nenne ich ganz mieses Schmierentheater aus der zweiten Reihe, liebe CDU/GAL.

Das ehemalige Senatsblatt, jetzt wieder reines CDU-Propagandablatt, springt natürlich mit heraushängender Zunge auf den Zug auf und rührt den Schlamm zum Schmeißen an. Bahh!

Alle antreten zum Durchzählen

1987 gab es auch bei uns zuhause Unruhe. Meine Eltern empörten sich über die geplante Volkszählung – die dann nicht stattfand. Über zwanzig Jahre später gibt es kaum Widerstand gegen eine Volkszählung, oder wie es Neudeutsch heißt: den Zensus. Magere 10.000 Bürger haben dagegen geklagt und sind gescheitert. Nun rollt sie die Datensammel-Welle. Und niemand muckt.

Die taz hat sich den Fragebogen genommen und durch sehr persönliche Fragen ergänzt. Damit ausgerüstet, zusammen mit „wichtigen“ T-Shirts und schlecht gemachten Ausweisen, zog man in Berlin von Tür zu Tür und fragte, was zu fragen war. Auch hier gab es kaum Murren. Und das, obwohl nach Drogenkonsum, Häufigkeit des sexuellen Interkurses und Wahlverhalten gefragt wurde. Vereinzeltes Nachhaken, warum die Interviewer plötzlich vor der Tür stehen, wurden mit „Da hat die Post wohl geschlampt“ begründet und man bekam Einlass.

Ein gewagtes Experiment. Es zeigt, dass die Menschen heutzutage sehr bereitwillig sind, persönliche Informationen preiszugeben. Klar, wer auf dem Fratzenbuch Urlaubs- oder Partyfotos postet, mit „Places“ bzw. Foursquare und Co. jedem „Freund“ mitteilt, wo man sich gerade aufhält, wer jeden Gang zur Toilette twittert — der kann in einem vom Staat verordneten Striptease auch nicht mehr von sich geben. So ein Zensus, der ist dann egal. Macht man mit. Ja, ich nehme Drogen, rauche am Tag drei Schachteln, vögle mich jeden zweiten Abend durch fremde Betten und habe auch schon mal abgetrieben. Wissen ja eh schon alle ?

Dieser ohnehin verinnerlichten „Informationsgeber-Kultur“ hat der Staat es zu verdanken, dass sich diesmal niemand über den gläsernen Bürger aufregt. Sind wir ja eh schon. An jeder Ecke eine Überwachungskamera und im Grunde können „die“ auch jede Info über ihre Schafe herausfinden. Dafür bedarf es nicht einmal eines Zensus.

Erschreckend fand ich dann allerdings die Begründung der Befragten für ihre Bereitwilligkeit zur Kooperation. Einer der Probanden erklärte den geringen Widerstand gegen den Zensus so:

Die Zeiten haben sich geändert, heute ist nicht mehr der Staat böse, sondern eher die Wirtschaft.

Bitte? Wie naiv muss man sein, um sich so eine Trennung zurecht zu fantasieren? Da hat aber jemand nicht aufgepasst, wenn er tatsächlich eine Trennung von Staat und Wirtschaft meint zu sehen. Staat und Kirche sind (hierzulande) getrennt, ja. Aber Politik und Wirtschaft sind fest miteinander verzahnt. Das zeigt das langjährige, hartnäckige Festhalten an der Atompolitik, die Elbvertiefung, die Zuschüttung des Mühlenberger Lochs, die U4 in die HafenCity und und und ? Die Politik lässt sich von der Wirtschaft sagen, wohin sie zu steuern hat. Wie kann man da behaupten, die Wirtschaft sei böse, der Staat aber nicht?

Ich bin jedenfalls froh, dass ich (noch?) keinen Brief in meinem Postkasten hatte. Unter Umständen hätte ich vielleicht sogar die Geldstrafe auf mich genommen. Das wäre mein bescheidener Beitrag zur Abdeckung der 710 Millionen Euro Kosten gewesen.

Übrigens: Es herrscht Auskunftspflicht. Das weiß wohl mittlerweile jeder, das mag auch ein Grund gewesen sein, warum die Befragten die gefakten Zensus-Mitarbeiter in die Wohnung gelassen haben. Es ist Pflicht, also ist man hörig. Wobei ich es ja schon lustig finde, dass sich die Auskunftspflicht für den Zensus aus dem eigens dafür geschaffenen Zensus-Gesetz erklärt ?

Die Auskunftspflicht ergibt sich aus §18 Absatz 3 ZensG 2011 in Verbindung mit §15 Absatz 1 BStatG.

Und wer hätte gedacht, dass es ein Bundesstatistikgesetz (BStatG) gibt? *tss*

Altlasten

Da verlasse ich das Büro und prompt laufe ich in eine Kundgebung, die auf dem Gänsemarkt stattfindet. Der Platz ist voll, die Straße nicht. Am Mikrofon steht ein Mann, der langsam mit seiner Stimme immer lauter wird.

Beim Weggehen höre ich noch, wie der Redner wettert, Bürgermeister Scholz soll endlich Schluss machen mit den Leuchtturm-Projekten. Herr Scholz solle GEW und Co. nicht als Melkkühe verstehen.

„Aber“, denke ich beim Verlassen in Richtung Jungfernstieg, „die Leuchtturm-Projekte sind doch gar nicht auf dem Mist von o.a. Scholz entstanden!“? Irgendwie ungerecht, gerade die Gigantomanie-Denkmäler von Vorgänger von Beust (den dazwischen ignorieren wir mal – obwohl seine Wohnung für Millionen Steuergelder sicher gemacht werden) als Kritikpunkt anzubringen. Scholz hat keine U4 und keine Elbdisharmonie in Auftrag gegeben. Darüber hinaus denke ich einmal, dass von Beust und seine Schergen wunderbar wasserdichte Verträge ausgehandelt haben. Davon zurücktreten – so schön und sinnvoll das wäre – ist nun einmal nicht möglich.

Die Argumente von dem wütenden GEW-Mann sind in diesem einen Fall, den ich gehört habe, nicht gerecht … Machten sich aber in seinem lauten Tonfall sehr gut. Die Protestler auf dem Gänsemarkt stimmten jedenfalls ein Rassel-Konzert an.

AKWs abschalten ist ganz nett, aber …

Auf einmal fühlt man sich zurückversetzt in die 80er. Eine große Welle und eine Explosion später sind sie wieder auf der Straße, plötzlich taucht die rote „Atomkraft Nein Danke“-Sonne an jeder Ecke auf. So war das in den 80ern auch schon mal. Da brauchte es jedoch keine Naturgewalt, die menschliche (mangelhafte) Technik zerstörte und Angst freisetzte. Damals war die Angst schon vor dem GAU in Tschernobyl vorhanden.

Es ist gut, dass jetzt zehntausende Bürger auf die Straße gehen und in den großen Städten Deutschlands gegen Atomenergie protestieren. Es ist gut, dass die Regierung einlenkt und „irgendwas gegen Atomkraft“ machen will. Blöd ist nur, dass die Regierung aus reinem Aktionismus und Wahlkalkül agiert. Im Grunde wollen sie doch gar nicht von der Atomkraft lassen. Immerhin sind Politik und Atomlobby stark verzahnt, da möchte man doch seinen „Freunden“ nicht ans Bein pinkeln.

Wie sehr die Atomkraft mit der Politik verquickt ist, zeigt — so finde ich — dieser Bericht in der Zeit sehr schön, der die Geschichte der Atomenergie in der Bundesrepublik Deutschland nacherzählt. Die Stromanbieter selber waren zunächst von der Atomenergie gar nicht so angetan, standen ihr skeptisch gegenüber. Doch dann öffnete die damalige Politik die Büchse und herauskam ? Geld! Das überzeugte schließlich auch die großen Stromanbieter. Das Geld, das einst in die eine Richtung floss, dürfte wohl heutzutage auch in die andere Richtung fließen. Die schwarz-gelbe Regierung will eher nicht so schnell aus der Atomenergie aussteigen — inoffiziell.

Nun also Demonstrationen. Alle Macht geht vom Volke aus. Klar. Die Menschen wollen auf einmal (wieder) keine Atomenergie. Dabei war sie bis vor Fukushima noch sauber. Anders als Energie aus Kohle. Und diese blöden Windräder, die machen ja die Landschaft kaputt. Das geht auch nicht.

Nun ist Atomstrom nicht mehr so sicher und sauber. Doch die Stromanbieter, die, die erst an den Trog herangeführt werden mussten, die machen Panik und zeichnen die Horrorszenarien, dass wir alle keinen Strom mehr haben werden, wenn urplötzlich alle AKWs still stünden. Noch ein bisschen wild mit den Armen gefuchtelt und die Stimme gesenkt — fertig ist das Schauermärchen.

Egal. Die Bürger glauben nicht mehr das Märchen und wollen raus. Hin zu Ökostrom. ‚Erneuerbare Energien‘ ist der neue Schlachtenruf und soll und ins gelobte Konsumentenland führen.

Schön und gut. Bin ich voll dafür, aber eines wird in der aktuellen Diskussion um den Ausstieg nicht erwähnt. Ich habe es jedenfalls noch nicht mitbekommen. Es ist toll, sich wild skandierend und eine Rote-Sonnen-Fahne schwenkend durch die Straßen zubewegen. Das ist eine Art des Handels. Ist es das wirklich? Denn im Endeffekt sollen doch „die da oben“ handeln. „Hey, ihr Politiker! Sorgt dafür, dass wir unseren Strom sicher, ohne Atomschmutz bekommen!“

Was stets vergessen wird: Der erste Schritte sollte nicht der auf die Straße sein. Der erste Schritt sollte hin zum Fernseher sein, hin zum Computer, hin zum Lichtschalter. Macht Euren Fernseher aus! Zieht den Stecker, lasst ihn nicht aus Bequemlichkeit im Stand by-Modus. Selbes gilt für Euren Rechner. „Aber der braucht so lange zum Hochfahren?“ ist kein Argument. Macht ihn aus, legt den Schalter der Steckdose um, so dass kein Strom mehr fließt. Wenn Ihr den Rechner anmacht, dann geht und redet mit Eurem Partner, mit den Kindern, kocht einen Kaffee, holt die Zeitung rein, bringt den Müll raus. Oder genießt einfach die paar extra Sekunden Ruhe! Und wenn Ihr einen Raum verlasst, dann macht dort das Licht aus! Herr Gott, Ihr habt es doch selber in der Hand, den Stromverbrauch zu reduzieren! Wenn nicht mehr so viel Strom gebraucht wird, dann reichen auch die angeblich ach-so-unzuverlässigen Windkraft- und Solaranlagen. Wenn Ihr keinen Strom braucht, dann muss der auch nicht produziert werden.

Also: Fangt bei Euch an. Fangt an nachzudenken und macht endlich Eure Stromfresser — und seien sie noch so harmlos — aus!

Es ist absolut richtig, sich hinzustellen und eine andere Energiepolitik zu fordern. Aber das bedeutet nicht nur, dass der Strom von woanders herkommt. Das bedeutet auch, dass wir unseren Stromkonsum verändern müssen. Drastisch. Fangt an, weniger Strom zu verbrauchen. Das gilt übrigens nicht nur im eigenen Haushalt. Auch auf der Arbeit. Müssen Bürogebäude in der Nacht hell erleuchtet sein? Nein. Oder auf der Straße: Muss jede Miniweg mit dem Auto zurückgelegt werden? Nein. Auch das ist Energie, die unnötig verbraucht wird.

Und wenn sich jetzt wieder einmal jemand mit den Armen in der Hüfte und kopfschüttelnd hinstellt, nur um zu proklamieren, dass es doch alles nichts nützen würde, solange die Amerikaner und die Chinesen solche Umweltschweine sind ? Falsch. Auch unser Verhalten nutzt sehr wohl etwas! Wenn das Wall Street Journal behauptet, die Deutschen hätten nun eine Ideologie entdeckt, mit der sie sich der Welt als Gutmenschen präsentieren könnten — dann ist es doch nur gut, wenn wir es „denen“ zeigen. Und ich meine nicht mit roten Sonnen auf dem Facebook-Profil …