Typisch Hamburg

Die Zeit hat ein interessantes, wenn auch erschreckendes Bild Hamburgs gezeichnet. Man mag es nicht wahrhaben. Es ist so — unschön. Und dabei wissen wir doch alle, dass wir hier in Hamburg in der schönsten Stadt der … na, Sie wissen schon.

Doch was das Blatt da schreibt, es stimmt. Horchen wir mal in unser stolzes Herz, dann müssen wir kleinlaut zugeben, dass wir Hamburger doch gar nicht so groß und weltoffen sind, wie wir uns immer gerne geben. Es mag einst eine Zeit gegeben haben, in der das Bild des kühlen, weltmännischen Hanseaten galt. Diese Zeit ist vorbei. Die Realität ist eine kleinbürgerliche, abgekapselte — ganz wie im Artikel beschrieben.

Der Hamburger scheint tatsächlich in seinem kleinen Biotop leben zu wollen. Einen Ausflug zum Nachbarteich gibt es kaum. Ein Bekannter von mir ist Lehrer in Kirchwerder. Das ist der Fitzel im Süden Hamburgs, von dem kaum einer etwas weiß. Ist das nicht da, wo die Vierlande sind? Obstanbau, nicht wahr? Der Lehrer erzählt von seinen Schülern, die so gut wie nie aus ihrem Stadtteil herauskommen. Wenn sie „in die Stadt“ fahren, dann steigen sie nicht in die Bahn und verlassen diese am Hamburger Hauptbahnhof, um in der Mönkebergstraße entlangzulaufen. Nein, für diese Jugendliche ist der Stadtteil Bergedorf „die Stadt“. Hamburgs City? Weit entfernt.

Selbes Spiel in Eidelstedt, Schnelsen, Niendorf — wo ich meine Erfahrungen gesammelt habe. Die Jugendlichen hier, wechseln auch kaum den Stadtteil. In Eidelstedt aufgewachsen, gegen Schnelsener „verteidigt“ und wenn es aus dem elterlichen Haus geht, sucht man sich eine Wohnung in Eidelstedt. Ganz normal.

Diese Stadtteile am Rand von Hamburg sind, das behaupte ich ohne Zahlen vorlegen zu können, sozial benachteiligt. Trotzdem dürften sie typisch sein. Auch in anderen Stadtteilen, davon spricht zumindest der Zeit-Artikel, bleibt man lieber unter sich. Wie war das mit Weltoffenheit und dem „Tor zur Welt“, wenn man nicht einmal bereit ist, den Fuß in einen anderen Stadtteil zu setzen und sich „zu vermischen“, sich auszutauschen, sich kennenzulernen?

Zum Glück habe ich lange in einem Haus der Jugend gearbeitet, dadurch durfte ich viele, völlig andere Menschen kennenlernen, mit denen ich sonst wohl — ganz hanseatisch — kein Wort gewechselt hätte. Ich treibe mich zwar auch nur in einem gewissen Dunstkreis herum, allerdings behaupte ich, dass dieser doch viele Stadtteile Hamburgs einschließt.

Das große Hamburg

Bis hierher klang das alles arg negativ, ich gebe es zu. Hamburg gibt sich gerne groß, manche Politiker gehen gar größenwahnsinnig mit der ihnen anvertrauten Stadt um (Was hoffentlich jetzt besser wird!). Alles muss pompös sein, groß, riesig, gigantisch. Aber schaut Euch doch mal um: kaum Hochhäuser, alles niedrig gehalten — und das ist gut so! Hamburg ist nämlich eine große Stadt, aber keine Großstadt. Wäre schön, wenn das langsam durchsickern würde. Zumal man sich fragen muss, wie all dieser Gigantismus auf der einen Seite mit dem kühlen, reservierten Image, das der Hamburger auch gerne pflegt, unter einen Hut zu bringen ist.

Bei kühl und reserviert denke ich an ruhig, zurückhaltend, vielleicht sogar ein wenig lauernd. Aber auf keinen Fall an Elbdisharmonie und Co. Warum kann sich der Hamburger nicht damit abfinden, dass seine Stadt nicht der Nabel der Welt ist? Oder höchstens ein Näbelchen? Ich finde gerade das macht das Leben in Hamburg aus: Man hat alle Annehmlichkeiten und Zerstreuungen einer großen Stadt, kann aber nach 22h in aller Ruhe durch seinen Stadtteil gehen, ohne dass einem Touristen o.ä. über die Füße laufen (mit Ausnahme einiger ganz weniger Stadtteile). Zugegeben, manchmal nervt es auch …

Hamburg sollte sich auf sich selbst besinnen. Im Auftreten nach außen und nach innen. Da spielt übrigens auch die Architektur eine Rolle. Wenn schon alle Geschäfte in Hamburg die selben sind, wie in jeder anderen Stadt auch — und dadurch kein unverkennbares Bild geschaffen wird —, dann wäre es schön, würde man sich auf die Bauweise besinnen, die es schon in Hamburg gibt. Vielleicht entwickelt man diese weiter und stellt nicht immer die gleichen Beton-, Glas- und Stahl-Klötze ins Stadtbild, die man ebenfalls in anderen Städten vorfindet.

Hamburg, Du brauchst ein schärferes, ein besseres Profil!

Wer braucht schon Kunst?

Screenshot der taz-Hamburg-SeiteDer Hamburger Wahlkampf war meiner Meinung nach von einigen Parteien als eine einzige Schrei- und Schmutzkampagne gehandhabt worden. „Die sind doof — wählt uns!“ oder „Wir sind nicht die — also wählt uns!“ Nun kann man die heutige Startseite der taz, Ressort Hamburg, bei dem Thema Wahlkampf einordnen oder auch beim Thema „nicht vorhandene Medienkompetenz“ oder aber beim Thema „mangelndes Kunstverständnis“.

In dem Beitrag Uzis gegen Bankchefs geht es nämlich um einen Kandidaten der Links-Partei in Hamburg, Holger Burner. Der rappt hart und gemein — und zwar nicht gegen „Motherfuckers“, „Gangstas“ oder sonstige, übliche Sujets der Gangsta-Rapp-Kultur. Bei Burner geht es um den Sozialismus. Dabei wird die Thematik so überhöht, dass es — mit ein wenig Verstand — als provozierter Angriff, nicht aber als Aufruf zur Gewalt zu sehen ist. In diesem Fall haben wir provozierende, spaltende Kunst vorliegen.

Doch in der Hamburger CDU scheint das Verständnis für diese Form der Kunst zu fehlen. Kein Wunder, schaut man sich den Beitrag auf der Hamburg-Startseite weiter unten an. Unter der Überschrift Wo bleibt die Kunst? wird nämlich von den CDU-Plänen berichtet, wonach an Hamburger Schulen der Kunst- (und Musik-) -Unterricht eingekürzt werden soll.

Kunst ist etwas, das in der CDU nicht gerade gut ankommt. Vielleicht hat man einfach keine Ahnung, wie man mit „frei Denkenden“ umzugehen hat. Was sind das bloß für Menschen, die sich hinsetzen und Kunst machen? Wieso wollen die Ateliers haben? (Stichwort Gängeviertel) Wieso brauchen die Hamburger ein Museum, das sich mit Altonas Geschichte auseinandersetzt? Und wie kann man nur Gangsta-Rapp, der ja schon die aggressive Selbstbezeichnung im Namen trägt, als Kunst ansehen? Das muss doch auf einer Ebene mit Terroristen und Verbrechern stehen!?

Tja, wer nichts mit Kunst anzufangen weiß, wer nicht weiß, wie man mit ihr umgeht, der scheint auch keinen Sinn darin zu sehen, dem Nachwuchs Kunst näher zu bringen. Q.E.D?

150 Gramm

Musterwahlzettel für Bürgerschaftswahl 2001 in Hamburg

Am Sonntag ist Bürgerschaftswahl in Hamburg. Einige haben die Post schon früher erhalten, bei mir ist sie erst Anfang dieser Woche eingetrudelt. Ein großer Umschlag von der Stadt. Oh-oh. Das ist nie gut … Allerdings las ich bereits andernorts von dieser Postsendung.

Ein halbes Buch „Musterwahlunterlagen“ schickt die Umwelthauptstadt Hamburg dieser Tage an ihre Wahlschafe. Ein einleitender Brief, ein kleines, blaues Infoblatt und eben die Wahlunterlagen, die keine sind. Jeweils gute 150g Ex-Wald werden von der „Green Capital“ an die 1.260.500 Wahlberechtigten verschickt. Das sind grob gerechnet 189 Tonnen Holz, die — seien wir mal ehrlich — in den meisten Fällen ungesehen im Mülleimer (im Idealfall beim Altpapier) landen.

Heutzutage werden im Schnitt sieben Liter Wasser zur Herstellung von einem Kilogramm Papier benötigt. Das sind in unserem Fall 1.323.525 Liter Wasser. Außerdem wurden dabei etw. 434.872,5 kWh an Energie verbraucht.

Ja, da kann sich Hamburg, die Umwelthauptstadt 2011, doch mal richtig auf die Schulter klopfen. Denen ist nichts zu teuer, um ihren Wählern das Wahlrecht zu erklären. Und koste es den „guten Ruf“. Womit erneut bewiesen sein dürfte, dass „Umwelthauptstadt“ nichts anderes als ein PR-Gag ist …

Wer nicht weiß, wie er den Stift am 20. Februar zu bewegen hat, der kann sich auf der Seite von Hansjörg Schmidt oder mit diesem Video schlauer machen:

Sehbehinderte und blinde Wahlberechtigte können sich übrigens die Wahlunterlagen auch anhören.

Und dann bin ich einmal gemeint — man möge es mir verzeihen — aber wer nicht sehen kann, ist glücklich dran, wenn man sich diese Seite zur Hamburgwahl anschaut. Das ist so quietschbunt und kreischend — eine Frechheit. Welchen Kindergarten haben die denn da bitte die Internetseite gestalten lassen? Bestimmt die Kita eines Mitglieds der Hamburgischen Bürgerschaft. *seufz*

Mit Angst werben

Seit einigen Wochen ist es wieder so weit, der Bürger muss tapfer und standhaft sein, will er die letzten Tage auch noch heil überstehen. Sie sind wieder da. Sie belästigen wieder und buhlen um unsere Aufmerksamkeit. Die Rede ist natürlich von den Wahlplakaten. In Hamburg wird am 20. Februar gewählt. Da gilt es präsent zu sein und möglichst viel zu beeinflussen.

Es gibt die kleinen Aufsteller und wir finden auch wie jedes Mal die großen Plakatwände, die, die uns u.a. auf knapp elf Quadratmeter großen Wesselmann-Tafeln anschreien.

Schreien ist auch schon das Stichwort. Eigentlich mag man eher an einen Marktschreier denken, der in seinem Ringel-Shirt herumsteht und aus voller Kehle schreit. Jeder, der vorbeikommt, wird mit einem Schwall heißer Luft eingedeckt. Laut ist es, aggressiv und irgendwie peinlich, was die Hamburger C-Partei derzeit an den hanseatischen Straßen platziert hat. Große Lettern, lange Sätze, die versuchen etwas zu er klären, zu beeinflussen. Da haben wir den kessen Spruch mit der gesunkenen Kriminalität, die wir alle unserem ehemaligen Innensenator und jetzigen EB zu verdanken haben. Auch wenn das nur Statistik-Gefummel ist. Keck fragt er am Ende in C-Orange „… und nu?“

Aber auch der große, weiße, plakative Angriff auf die Schmerzgrenze der Hamburger, die, wenn sie Citymaut und Schulchaos wollen, doch bitte rot-grün wählen mögen. Inhalte, also eine Aussage, was man denn selber machen will in Zukunft, die fehlt. Immer anklagen und draufhauen.

Das haben sie sich wohl von der bayrischen C-Partei abgeschaut, die erst vor einigen Wochen mit ihrem selten dämlich, äußerst peinlichen Anti-Grünen-s.o. auffiel. Platter und dummdreister geht es wohl kaum. Man muss die Grünen nicht mögen. aber so auf einen Angstgegner draufzuhauen, so um sich zu schlagen, das grenzt an Kindergarten-Niveau. Zum Glück gibt es eine wunderbare Gegenantwort der heuteshow des ZDF.

Hamburgs Pferdestaffelliebhaber Nummer eins will an der Macht bleiben, nicht indem er zeigt, was er kann, sondern indem er Angst benutzt. Klassische, wenn auch billige Art der Anbiederung. Dazu wird dem potenziellen Wahlschaf ins Gesicht und Gewissen geschrieen.

Fährt man dann weiter, kann man auch andere Wesselmänner antreffen. Während der amtierende EB wie die Schlange Kaa in die Kamera starrt, schaut der Herausforderer Scholz eher unaufdringlich in die Zukunft. Dieses Bild wirkt ruhiger. Auch muss man sich nicht vor Angst und Schreierei ducken. Ja, da ist eine gewisse Affinität zu erkennen, aber davon abgesehen, im Versuch die Plakate objektiv zu betrachten, wirken Scholz‘ Wahlplakate ruhiger, aufgeräumter, unaufdringlicher und damit freundlicher. Neben dem suchenden – nicht dem herausfordernden oder gar provozierenden – Blick, steht schlicht „Vernunft“, „Klarheit“ oder „Verantwortung“. Angst, wie vom Konkurrenten eingesetzt, ist nicht vernünftig. Wollen wir hoffen, dass sich Hamburg nicht von der Furcht beeinflussen lässt. Und ja, über ein Programm sagen diese Plakate dann auch nichts aus.

Kohle von BeustWährend die Großen groß werben, müssen die Kleinen im kleinen Maßstab auf sich aufmerksam machen. Dabei liebe ich die Plakate der Piraten-Partei (s.o.). Zwar habe ich mit den Jungs und Mädels nicht viel am Hut, aber hier hat man wenigstens Themen bildlich aufgegriffen und sagt auch etwas über ein Programm aus. „Nebenbei“ wird auch gegen Verschwendungssucht der CDU oder die Verlogenheit der GAL geschossen. Hatten die Grünen in Hamburg zur letzten Bürgerschaftswahl noch den wunderbaren Spruch „Kohle von Beust“ auf dem Plakat, wurde dieser nach der Ehe schnell vergessen … Hier schlägt wunderbar treffend der Piraten-Spruch „Kohle ist jetzt grün“ in die Kerbe. Hoffentlich tut es weh!

Zumindest hat das Verhalten der Grünen auch zu kritischen Kommentaren auf GAL-Plakaten geführt (s. ebenfalls oben).