Irgendwann ist immer das erste Mal. Entweder habe ich es schlicht vergessen, das Wetter war schlecht oder ich war anderweitig verhindert. Aber schon lange wollte ich an einer Fahrt der Critical Mass teilnehmen. Nun also endlich – es hat geklappt. Der Tag war hauptsächlich bewölkt, doch rechtzeitig zur Tour wurde der Himmel klar. So mag man es.
Kurz vor 19h trudelte ich auf dem Platz zwischen den Deichtorhallen ein. Der Raum füllte sich immer mehr mit Fahrradfahrern und ihren Zweirädern. Irgendwann wurde die Meute unruhig, das Geklingel ging los. Immer wieder wurden die Klingeln und Hupen angestimmt und übertönten dann die eine oder andere fahrbare Disco. Gegen 19.30h dann der Aufbruch. Es ging ruhig los, es wurde immer wieder gecorkt, also von freundlichen Teilnehmern der Critical Mass Autofahrer aufgehalten.
Da eine Gruppe über 15 als geschlossener Verband gilt und laut Straßenverkehrsordnung als ein Fahrzeug angesehen wird, müssen die Autofahrer immer wieder teilweise lange warten, bis sie über die Straße kommen. Der Zug fährt auch bei Rot über die Ampel, wenn der Kopf bei Grün passierte. Die kritische Masse ist kein Mittelfinger für den Autofahrer. Die pure Masse soll den Autofahren bewusst machen, dass sie nicht alleine sind, dass Fahrradfahrer ebenso Teilnehmer im Straßenverkehr sind. Die „Corker“ erklären dies auch immer gerne den wartenden Automobilisten.
Die Bewegung ist international und findet regelmäßig überall auf der Welt statt.
Was gibt es alles auf einer Fahrt der Critical Mass zu sehen? Da wären:
- Typen im Strampler
- Mit LEDs geschmückte Fahrräder
- Junge und alte Teilnehmer
- Solisten und Gruppen
- Mehrere Anhänger mit Musik, von Dubstep zu Reggae zu Rock zu HipHop – alles dabei
- Leuchtende Speichen
- Cruiser, klapperige 70er-Jahre Klappräder, Rennräder, Mountainbikes, Tandems, Liegeräder, Leihräder, Räder mit Reifen so dick wie Oberschenkel – auch hier ist alles vertreten
- Typen mit Monsterhelmen, die immer wieder auf einem Rad auf dem Bürgersteig an der Gruppe vorbeirauschten
- Leute mit ihrem Hund im Anhänger
- Leute mit ihren Kindern im Kindersitz oder wenn’s mehrere sind, dann auch im Anhänger
Die Gruppe hat sich in der Regel vorbildlich verhalten. Wenn es zum Stau kam, wurde die Hand gehoben, man hat auf seine Umgebung Acht gegeben, es gab immer freundliche Leute, die gecorkt haben. Ebenso konnte man das ein oder andere ?Danke schön!? in Richtung der Corker vernehmen. Dennoch gab es auch ein paar Idioten. Da waren ein paar harmlose Gröhler dabei. Allerdings gab es auch die, die, wenn es mal langsamer voran ging, schnell überholen mussten und dabei auch mal in die Gegenbahn kamen. Das ist allerdings nicht harmlos, sondern richtig dumm! Leider gab es auch Radler, die zwischendurch aufs Mobiltelefon guckten oder telefonierten. *seufz*
Für die Autofahrer dürfte der lange Verband wahrscheinlich nervig gewesen sein. Noch einmal: Es geht nicht darum, die Autofahrer zu verärgern. Allerdings gab es auch so manches frohe, glückliche Gesicht am Straßenrand. Die Fußgänger wurden ebenfalls behindert, sie konnten nicht so einfach die Straßen überqueren. Dennoch nahmen sie es fast alle mit Humor und freuten sich, so viele Fahrräder zu sehen. Das wurde erst recht auf der Reeperbahn bewusst. Die Partygänger konnten partout nicht über die Straße, da die Reeperbahn nur zweispurig ist und die Fahrraddichte schnell anstieg. Dennoch: Überall freundliche Gesichter und gezückte Mobiltelefone, die das Spektakel aufnehmen wollten.
Ein Höhepunkt war gen Ende. Die Truppe fuhr durch den Nagelsweg. Als wir den Mittelkanal überquerten, konnte man auf der Amsinckstraße die nachfolgenden Fahrrad-Fahrer sehen. Das bewies nur, wie groß die Schlange war.
Über drei Stunden fuhr die irrsinnig große Gruppe durch Hamburg. Insgesamt wurde eine Strecke von knapp 33,5 Kilometer zurückgelegt. Das muss man mitgemacht haben. Es ist eine gute Sache und macht Spaß.
Nicht ganz verstanden haben die Teilnehmer, wieso so viel Polizei anwesend war. Das soll wohl bei vergangenen Veranstaltungen verhaltener gewesen sein. An der Elbpromenade standen mehrere Mannschaftswagen. Wieso? Ebenso seltsam fand ich das Verhalten mancher Autofahrer. Sie konnten offensichtlich in den nächsten Minuten nicht weiterfahren, standen aber alle mit laufendem Motor in den Seitenstraßen, schauten auf die vorbeiziehende Fahrradmeute.
Wenn man so lange in einer Gruppe fährt, hört man links und rechts das eine oder andere Gespräch. Oder zumindest Gesprächsfetzen. Mein Lieblingszitat:
… und als ich dann feststellte, dass gegen Graffitis sein voll uncool ist …